Anspruch auf 13. Monatsgehalt – Arbeitsvertrag vs. Tarifvertrag
13.02.2024
Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung – keine Anwendung auf nur einzelne Elemente einer tariflichen Einwertung
13.02.2024

Entgeltdiskriminierung von Teilzeitarbeitnehmern

EuGH v. 19.10.2023 – C – 660/20

 

Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen wie auch in ihren Vergütungsbedingungen wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung gegenüber Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.

 

Undifferenzierte Auslösegrenze bei Mehrflugstundenvergütung

 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich erneut mit der Frage der Entgeltdiskriminierung von Teilzeitarbeitnehmern beschäftigt. Es ging dabei um die Frage, ob eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten vorliegt, wenn diese einen Überstundenzuschlag erst erhalten, sofern eine Auslösegrenze überschritten wird. Diese Auslösegrenze war bei Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten gleich.

Konkret ging es um einen Tarifvertrag für Flugzeugführer. Darin wird den Beschäftigten eine sog. „Mehrflugdienststundenvergütung“ gewährt, wenn eine bestimmte Zahl an Flugdienststunden im Monat geleistet wird und die Grenze für die „Auslösung“ überschritten wird. Hierfür enthält der Tarifvertrag drei der Höhe nach ansteigende Stundensätze. Diese liegen über dem aus der Grundvergütung ermittelten Stundensatz. Der Tarifvertrag sieht bei der Auslösegrenze allerdings keine Differenzierung – bspw. entsprechend des jeweiligen Teilzeitfaktors – zwischen voll- bzw. teilzeitbeschäftigten Flugzeugführern vor. Somit erhalten Voll- und Teilzeitbeschäftigte bis zur Auslösung der einheitlichen Mehrflugstundenvergütung genau die gleiche Vergütung.

 

Verstoß gegen Diskriminierungsverbot und pro-rata-temporis Grundsatz

 

Fraglich war somit, ob durch diese Regelung eine Diskriminierung der Teilzeitbeschäftigten vorliege. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wandte sich mit dieser Frage in einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH.

Relevant war hierfür das Diskriminierungsverbot, wonach ein Teilzeitbeschäftigter nicht wegen der Teilzeit ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes schlechter gestellt werden darf als ein vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter. Zudem ging es um den sog. pro-rata-temporis Grundsatz, wonach ein Teilzeitbeschäftigter mindestens in dem Umfang der anteiligen Arbeitszeit in Bezug auf einen Vollzeitbeschäftigten zu vergüten ist. Beide Grundsätze sind europarechtlich in der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der RL 97/81/EG (vgl. dort § 4 Abs. 1 und 2) geregelt.

Der EuGH stellte zunächst fest, dass die Flugzeugführer – egal ob in Teilzeit oder in Vollzeit tätig – die gleichen Tätigkeiten wahrnahmen. Durch diese Vergleichbarkeit liege durch die einheitliche Auslösegrenze eine Diskriminierung der Teilzeitbeschäftigten vor. Hierbei komme es nicht darauf an, dass die Flugzeugführer in Teil- oder Vollzeit bis zum Erreichen der Auslösegrenze gleich vergütet würden. Die Diskriminierung liege vielmehr darin, dass die Flugzeugführer in Teilzeit gemessen an ihrer Gesamtarbeitszeit die Auslösegrenze erst nach einem längeren Flugstundendienst erreichen könnten. Die Teilzeitbeschäftigten würden daher die für den Anspruch auf die Mehrvergütung erforderliche Auslösegrenze entweder nicht oder nur mit deutlich geringerer Wahrscheinlichkeit als vollzeitbeschäftigte Flugzeugführer erreichen.

 

Sachliche Rechtfertigung?

 

Ob diese Ungleichbehandlung im vorliegenden Fall durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sei, überließ der EuGH dem BAG. Allerdings äußerte er erhebliche Zweifel daran, dass der vorgetragene Grund – durch die Zahlung eine besondere Arbeitsbelastung bei der Tätigkeit auszugleichen – hierfür genüge.

Dem EuGH fehlte es an vorgetragenen wissenschaftlichen Erkenntnissen oder allgemeinen Erfahrungssätzen über den Zusammenhang zwischen einer bestimmten Anzahl von Flugdienststunden und gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Außerdem gab der Gerichtshof zu bedenken, dass bei einer solchen Begründung die individuellen Auswirkungen und die eigentlichen Gründe des Instituts der Teilzeitarbeit (z.B. außerberufliche Belastungen) außer Betracht blieben. Schließlich wies der EuGH auch darauf hin, dass nicht verständlich sei, wie die Flugzeugführer vor der Heranziehung zu übermäßiger Arbeit geschützt werden sollten, wenn eine Mehrvergütung erst oberhalb der Auslösegrenze für die Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten anfallen würde.

Die Erwägungen des EuGH sprechen mithin gegen eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung.

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Ronja Seggelke

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