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Sachgrundlose Befristung nicht mehr alle drei Jahre möglich

von Dr. Christoph Kistler

Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist Voraussetzung für den Abschluss eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags, dass nicht bereits zuvor ein Arbeitsvertrag zwischen den Parteien bestand. Umstritten ist hierbei, ob “bereits zuvor” im Sinne von “jemals zuvor” zu verstehen ist (so die Mehrheit der Landesarbeitsgerichte) oder ob es eine zeitliche Beschränkung gibt. Letzteres hatte das BAG vertreten: Nach drei Jahren Karenzzeit sollte erneut ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen werden können.

SACHVERHALT: Nun hatte das höchste deutsche Gericht Gelegenheit, sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Dem Vorlagebeschluss des ArbG Braunschweig lag eine Klage auf Entfristung eines Arbeitsvertrages zugrunde. Der Kläger des Ausgangsverfahrens machte geltend, die zuletzt vereinbarte sachgrundlose Befristung seines Arbeitsverhältnisses sei unwirksam, da er bei derselben Arbeitgeberin „bereits zuvor“ beschäftigt war. Das ArbG setzte das Verfahren aus und fragte beim BVerfG an, ob § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG mit Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei. Zugrunde gelegt hatte es eine Auslegung der Norm, wonach niemals zuvor ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden haben durfte. Zugleich entschied das BVerfG über eine Verfassungsbeschwerde, welche sich gegen Entscheidungen des LAG Nürnberg und des BAG richtete. Der Kläger machte im Ausgangsverfahren erfolglos geltend, die letzte Befristung seines Arbeitsverhältnisses sei unwirksam, da eine befristete Vorbeschäftigung bei derselben Arbeitgeberin vorliege. Das Landesarbeitsgericht verneinte dies, da das vorangegangene Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber mehr als drei Jahre zurückliege. Die gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil erhobene Grundsatzbeschwerde wies das BAG zurück.

ENTSCHEIDUNG: Das BVerfG (Beschluss vom 06.06.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14) erteilte dem BAG eine Absage. Es verwarf die pauschale Karenzzeit des BAG von drei Jahren. Diese überschreite die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung durch die Gerichte und verstoße gegen Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG. Die Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verbiete grundsätzlich jede erneute sachgrundlos befristete Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber. Dieses uneingeschränkte Verbot sei nur dann unzumutbar, wenn im Einzelfall offensichtlich keine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Vorbeschäftigten bestehe. Entsprechend könnten bzw. müssten die Fachgerichte zu einer einschränkenden Auslegung gelangen, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliege, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen sei. Als Beispiele nennt das BVerfG: geringfügige Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung, bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergehe.

HINWEIS: Auch wenn das Urteil des BVerfG Flexibilisierungsmöglichkeiten des Arbeitgebers einschränkt, sorgt es doch jedenfalls für Rechtssicherheit. Bis auf Weiteres sollten Arbeitgeber vorsorglich davon ausgehen, dass das Anschlussbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich unbeschränkt gilt. Es bleibt abzuwarten, welche Ausnahmefälle von den Gerichten für Arbeitssachen anerkannt werden (Stichwort Ferienjob während der Schulzeit). Zudem sollte im Auge behalten werden, ob die große Koalition korrigierend eingreift. Der Koalitionsvertrag enthält jedenfalls das Vorhaben, eine Karenzzeit von drei Jahren in § 14 TzBfG aufzunehmen.

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