Mit der vorliegenden Entscheidung positioniert sich wohl erstmalig ein Berufungsgericht zum Verbot repressiver Kündigungen gegenüber Hinweisgebern und zur gesetzlichen Beweislastumkehr nach § 36 Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG).
Kleine Erinnerung: Wird ein Hinweisgeber im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit benachteiligt und macht er geltend, die Benachteiligung sei infolge einer Meldung oder Offenlegung erfolgt, wird das Vorliegen einer unzulässigen Repressalie i.S.d. Gesetzes vermutet. Dadurch geht die Beweislast auf den benachteiligenden Arbeitgeber über. Anderenfalls könnten Hinweisgeber oft nur schwer nachweisen, dass die Benachteiligung mit ihrer Meldung zusammenhängt. Voraussetzung für das Eingreifen der Beweislastumkehr ist aber die Anwendbarkeit des HinSchG.
Im entschiedenen Fall ging es um die Probezeitkündigung des bei der Beklagten für den Aufbau eines Compliance Management Systems zuständigen Leiters Recht. Während der Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer der Beklagten hatte der Kläger auf aus seiner Sicht drohende Kartellrechtsverstöße im Zusammenhang mit einem anstehenden Vertragsabschluss hingewiesen. Kurz danach entschloss sich die Beklagte zur Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Der für das Kündigungsgespräch vorbereitete Sprechzettel verwies u.a. auf einen eingeschränkten „Cultural Fit“ und das Fehlen eines unternehmerischen, lösungsorientierten Blicks.
Substantiierter Vortrag für Anwendung des HinSchG erforderlich
Das LAG Niedersachsen sah den sachlichen Anwendungsbereich des HinSchG vorliegend nicht als eröffnet an. Zwar könne auch eine Probezeitkündigung eine Repressalie darstellen; der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes setze jedoch voraus, dass die weitergegebenen Informationen Verstöße gegen mindestens eine der in § 2 HinSchG abschließend bezuggenommenen Rechtsnormen zum Gegenstand hätten und keiner der in § 5 HinSchG genannten Ausnahmetatbestände einschlägig sei. Dies hatte der Kläger nicht hinreichend dargetan. Insbesondere trug er keine Tatsachen vor, aus denen sich ein relevanter Rechtsverstoß hätte ergeben können, sondern beschränkte sich auf Rechtsbehauptungen.
Maßregelungsverbot nach § 612a BGB
Als Sonderfall der Sittenwidrigkeit verbietet § 612a BGB Arbeitgebern benachteiligende Maßnahmen gegenüber ihren Mitarbeitenden, weil diese in zulässiger Weise ihre Rechte ausüben. Dabei liegt ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot aber nur vor, wenn die Rechtsausübung des Arbeitnehmers der tragende Beweggrund, d.h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet. Handelt der Arbeitgeber aufgrund eines Motivbündels, so ist auf das wesentliche Motiv abzustellen. Von einem tragenden Motiv ist nach der Entscheidung des LAG Niedersachsen nicht auszugehen, wenn andere Gründe als Schwerpunkt des unternehmerischen Handelns zu erkennen sind, wie vorliegend der fehlende Pragmatismus und die vermisste Lösungsorientierung des Klägers und zwischen der Rechtsausübung und der Maßnahme über ein Monat liegt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Verhalten der Akteure dazwischen keine abweichenden Anhaltspunkte liefert, sondern von Offenheit und dem Willen zur Aufklärung des Sachverhalts, der Gegenstand der Rechtsausübung war, geprägt ist.
Klare Dokumentation des Kündigungsgrundes erforderlich
Unternehmen sollten bei Kündigungen – auch während der Probezeit – klar dokumentieren, warum die Entscheidung getroffen wurde, um nachweisen zu können, dass die Kündigung eines Hinweisgebers nicht auf dessen Hinweis basiert. Dabei ist es wichtig, die tatsächlichen Beweggründe transparent zu machen. Zum Beispiel durch die Nutzung von Sprechzetteln bzw. Protokollen von Kündigungsgesprächen. Damit kann alsdann belegt werden, dass die Kündigung auf andere, legitime Gründe gestützt wurde.