Wir sind eine überörtliche Fachkanzlei für Arbeitsrecht und bundesweit tätig. Wir beraten große Konzerne, mittelständische Unternehmen, soziale und öffentlich-rechtliche Organisationen sowie Führungskräfte. Als Spezialisten sind wir auch in der betrieblichen Altersversorgung und an Schnittstellen zum Gesellschafts-, Sozial- und Verwaltungsrecht tätig.
von Dr. Nils Börner
Verändert ein Beschäftigter den Grad der Beschäftigung von Teil- auf Vollzeit, so stellt sich die Frage, wie sich die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit auf seine Vergütung auswirkt. Typischerweise erhöht sich die Vergütung entsprechend der Erhöhung der Arbeitszeit. Das BAG hatte nun darüber zu befinden, ob dies auch für außertarifliche „Leistungszulagen“ gilt.
Erhöhung außertariflicher „Leistungszulagen“ entsprechend der Erhöhung der Arbeitszeit?
Sachverhalt: Der Arbeitgeber hatte eine frühere Arbeitnehmerin, nachdem diese zwischenzeitlich zu einem anderen Unternehmen gewechselt war, wieder eingestellt und dieser neben einer tariflichen Vergütung ab Beginn des erneuten Arbeitsverhältnisses auch einen monatlichen Betrag in Höhe von EUR 250,00 brutto gewährt und diesen in der Gehaltsabrechnung als „Leistungszulage“ bezeichnet.
Im schriftlichen Arbeitsvertrag wurde hierzu zwar nichts festgehalten, die Parteien erklärten aber übereinstimmend, dass die Zahlung dem Ausgleich der Differenz zwischen der von der Klägerin bei ihrem vorherigen Arbeitgeber erzielten Monatsvergütung und derjenigen, welche der Arbeitgeber bei Anwendung des maßgeblichen Tarifvertrages anbieten konnte, diente.
Die Klägerin, welche ihre wöchentliche Arbeitszeit von 50 % auf 100 % erhöhte, verlangte nunmehr die Zahlung der „Leistungszulage“ in doppelter Höhe, also in Höhe von EUR 500,00 brutto monatlich. Die Beklagte wandte dagegen ein, bei der Zulage handele es sich nicht um einen im Zusammenhang mit der Arbeitszeit stehenden Vergütungsbestandteil, sondern um eine monatliche Pauschale zu Abwerbezwecken. Dieser Darstellung folgte das BAG nicht und sprach der Klägerin die Erhöhung der Zulage zu..
Kein Anspruch auf höhere Gegenleistung aus § 9 TzBfG herleitbar
Das LAG Düsseldorf war noch davon ausgegangen, der Anspruch der Klägerin auf eine Erhöhung der Zulage ergäbe sich aus § 9 TzBfG. Diese Norm regelt allerdings nur die Rahmenbedingungen bei der Verlängerung der Arbeitszeit; eine Regelung zum Schicksal der Gegenleistung ist § 9 TzBfG fremd. Das BAG stellte daher fest: „Sowohl bei der Verkürzung der Arbeitszeit als auch bei deren Verlängerung überlässt das Gesetz die Folgen für die Gegenleistung der Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien.“
Vereinbarung der Parteien kommt entscheidende Bedeutung zu
Entscheidung: Das BAG (Urteil vom 13.12.2023 – 5 AZR 168/23) kam im Wege der Auslegung der Vereinbarung der Parteien zu dem Ergebnis, dass die mündlich vereinbarte Zulage dazu diente, die bei bloßer Vergütung nach dem Tarifvertrag entstehende Differenz zu dem beim vorherigen Arbeitgeber erzielten Gehalt auszugleichen. Folgerichtig war die Zulage im konkreten Fall als ein Vergütungsbestandteil einzuordnen, der im sog. synallagmatischen Verhältnis von Leistung und Gegenleistung steht. Das Gericht ordnete die Zulage somit als statische übertarifliche Zulage ein. Die Abwerbung der Klägerin sei allenfalls Motiv für die Zulage gewesen, ändere aber nicht deren Charakter.
Dies hatte die Beklagte erstinstanzlich – noch nicht anwaltlich vertreten – auch sinngemäß eingeräumt, da sie ausführte, die Zulage habe dazu gedient eine bestimmte Gehaltsvorstellung, welche nicht über den Tarifvertrag abgebildet werden konnte, zuzusichern. Da sich die Parteien anlässlich der Erhöhung des Beschäftigungsgrades nicht über die Erhöhung der Zulage einigen konnten, schloss das BAG die entstandene Regelungslücke im Wege der sog. ergänzenden Vertragsauslegung und passte den Vertrag dahingehend an, dass die Klägerin die Zahlung einer Zulage in Höhe von EUR 500,00 beanspruchen kann.
Empfehlung: Zweck und Schicksal außertariflicher Zahlungen schriftlich festhalten
Hinweis: Kernproblem der Auseinandersetzung war, dass die Zahlung der übertariflichen Zulage lediglich mündlich und nicht schriftlich vereinbart und daher auch nicht festgelegt worden war, welchem Zweck die Zahlung dienen bzw. wie sich die Erhöhung des Beschäftigungsgrades auf die Höhe der Zulage auswirken sollte. Dabei wäre es ohne weiteres möglich gewesen, zu vereinbaren, dass die Zulage unabhängig vom Umfang der Beschäftigung stets nur in einer bestimmten Höhe gezahlt werden soll. Mangels derartiger Vereinbarungen und weil er sich erstinstanzlich zumindest „ungeschickt“ einließ, muss der Arbeitgeber wegen der Erhöhung des Beschäftigungsgrades von 50 auf 100 % nun eine Zulage in doppelter Höhe zahlen, obwohl er mit der Zusicherung ggf. ein anderes Ziel verfolgte.