Wir sind eine überörtliche Fachkanzlei für Arbeitsrecht und bundesweit tätig. Wir beraten große Konzerne, mittelständische Unternehmen, soziale und öffentlich-rechtliche Organisationen sowie Führungskräfte. Als Spezialisten sind wir auch in der betrieblichen Altersversorgung und an Schnittstellen zum Gesellschafts-, Sozial- und Verwaltungsrecht tätig.
von Liv-Loreen Perkhoff LL.M
Sachverhalt: Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) verpflichtet Betreiber von Anlagen, die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigungspflichtig sind oder in denen regelmäßig gefährliche Abfälle anfallen, sowie die weiteren im Gesetz aufgezählten Anlagenbetreiber zur Bestellung eines Betriebsbeauftragten für Abfall, sofern dies aus den im Gesetz genannten Gründen erforderlich ist (§ 59 Abs. 1 S. 1 KrWG).
Für die Abberufung des bestellten Abfallbeauftragten durch den zur Bestellung Verpflichteten stellt das KrWG keine spezifischen Anforderungen auf. Damit unterscheidet es sich von den Bestimmungen, die für den Datenschutzbeauftragten gelten. Dessen Abberufung ist nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes (vgl. § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG i.V.m. § 626 BGB) zulässig.
Entscheidung: Das BAG setzte sich im Urteil vom 18.10.2023 (5 AZR 68/23) zum ersten Mal mit den Anforderungen an eine wirksame Abberufung eines Betriebsbeauftragten für Abfall auseinander. Der Kläger war 1993 als Angestellter eingestellt und 1994 sowie nochmals 1998 zum Betriebsbeauftragten für Abfall bei der Beklagten, einem selbstständigen Kommunalunternehmen der Stadt bestellt worden. Am 31.03.2017 widerrief die Beklagte die Bestellung und bestellte zum 01.04.2017 einen externen Abfallbeauftragten. Dem Kläger wies sie andere Aufgaben zu. Gerichtlich begehrte der Kläger die Feststellung, dass seine Abberufung unwirksam sei. Das BAG stellte in diesem Zusammenhang das Folgende fest:
Ausgangspunkt ist der Bestellungsakt:
Die „Bestellung“ ist die konkrete Zuweisung der Aufgaben eines Abfallbeauftragten i.S.v. § 59 KrWG im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses, das zumeist ein Arbeitsverhältnis ist. Durch die Bestellung wird regelmäßig der Arbeitsvertrag um die mit diesem Amt verbundenen Aufgaben einvernehmlich erweitert. Auch der Kläger wurde nach seinem – für den öffentlichen Dienst typischen – Arbeitsvertrag „als Angestellter“ eingestellt und nicht als „Abfallbeauftragter“. Die Parteien haben damit – stillschweigend – eine Änderung des Arbeitsvertrags für die Zeitspanne vereinbart, für die der Kläger das Amt nach den gesetzlichen Bestimmungen ausübt.
Anforderungen an die Abberufung:
Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung im Bundes-Immissionsschutzgesetz zur Abberufung des Abfallbeauftragten bedeutet nach dem BAG nicht, dass die Abberufung eines Abfallbeauftragten vollkommen „frei“ möglich ist. Die nach den umweltrechtlichen Regelungen vorgesehene einseitige Abberufung stellt sich als eine einseitige Leistungsbestimmung des Arbeitgebers dar, welche die Anpassung des Arbeitsvertrags wieder rückgängig machen soll. Zum Schutz vor willkürlicher Vertragsgestaltung durch den Arbeitgeber bedarf es nach dem BAG einer Kontrolle der Abberufungsentscheidung am Maßstab der Billigkeit (§ 315 BGB). Bei dem „billigen Ermessen“ handelt es sich um einen auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff. Billig ist die Leistungsbestimmung, wenn sie unter umfassender Würdigung des Vertragszwecks die Interessenlage beider Parteien ausreichend berücksichtigt. Der Bestimmungsberechtigte hat daher seine Interessen und die des anderen Vertragsteils zu berücksichtigen. Er hat beide Interessen gegeneinander abzuwägen und auf dieser Basis seine Entscheidung zu treffen. Ob die Abberufung des Klägers als Abfallbeauftragter wirksam ist, hat das BAG mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen durch die Vorinstanzen nicht abschließend entschieden. Diese Frage muss das LAG klären, wobei das BAG darauf hinwies, dass der Arbeitgeber darlegen und beweisen muss, dass die Anforderungen der Billigkeit gewahrt wurden. Im hiesigen Verfahren hatte die Beklagte vorgetragen, dass der Abberufung des Klägers eine unternehmerische Entscheidung zugrunde lag, nach der die Funktion extern vergeben werden sollte. Ob das unternehmerische Konzept zweckmäßig ist, darf gerichtlich nicht geprüft werden. Dies gilt auch für die Bestellung eines externen Abfallbeauftragten, die nach den umweltschutzrechtlichen Regelungen grundsätzlich möglich ist. Sofern der Abfallbeauftragte meint, die unternehmerische Entscheidung sei nur vorgeschoben, muss er Umstände darlegen und beweisen, aus denen sich ergibt, dass die Entscheidung willkürlich war oder es rechtsmissbräuchlich ist, dass der Arbeitgeber sich auf sie beruft.
Ein Verstoß gegen formelle Anforderungen führt nicht zur Unwirksamkeit der Abberufung:
Für den Fall der Abberufung von Betriebsbeauftragten für Abfall ist die vorherige Unterrichtung des Betriebs- bzw. Personalrats vorgeschrieben, die dementsprechend vorab durchgeführt werden sollte (§ 60 Abs. 3 KrWG, § 55 Abs. 1 a BImSchG). Außerdem ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Abberufung bei der zuständigen Behörde unverzüglich anzuzeigen (§ 60 Abs. 3 KrWG i.V.m. § 55 Abs. 1 S. 2 BImSchG). Die Nichteinhaltung dieser Formalia führt nach Feststellung des BAG allerdings nicht zur Unwirksamkeit der Abberufung, denn die gesetzlichen Regelungen sehen dies nicht als Rechtsfolge vor.
Hinweis: Auch wenn die Anhörung des Betriebs- bzw. Personalrats zur Abberufung keine Wirksamkeitsvoraussetzung ist, sollte sie gleichwohl grundsätzlich erfolgen, da die Begründung als Beleg dafür herangezogen werden kann, dass die Abberufung billigem Ermessen entspricht. Vor einer Abberufung sollte sorgfältig geprüft werden, ob diese einer Billigkeitskontrolle standhält. Anhaltspunkte dafür, welche Anforderungen für die gerichtliche Billigkeitsprüfung herangezogen werden, wird das LAG nun in seiner Entscheidung herausarbeiten müssen. Aus dem vorliegenden Urteil des BAG lässt sich aber mitnehmen, dass im Streitfall nachweisbar sein sollte, dass die Abberufung auf einem unternehmerischen Konzept beruht, insbesondere indem das Unternehmen diese Entscheidung, vergleichbar im Fall einer betriebsbedingten Kündigung, verschriftlicht. Sofern das Unternehmenskonzept vorsieht, dass die Funktion als Abfallbeauftragter extern vergeben werden soll, sollten bereits entsprechende Angebote eingeholt worden sein, bevor die Abberufung erklärt wird.