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von Dr. Josefine Müh
Sachverhalt: Die Parteien stritten über die Verbindlichkeit einer Dienstplaneinteilung durch Arbeitgeberweisung per SMS außerhalb der Arbeitszeit. Der Kläger ist als Notfallsanitäter bei der Beklagten, der Betreiberin eines Rettungsdienstes, beschäftigt. Bei dieser gilt die Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeitgrundsätze im Einsatzdienst (im Folgenden: BV). Diese definiert u.a. „unkonkret zugeteilte Springerdienste“, in die die Arbeitnehmer vier Tage im Voraus eingeteilt werden. Nach der BV kann die Beklagte dann entweder die Einsatzzeit bis um 20:00 Uhr des Vortages konkretisieren oder es bei der Einteilung belassen, bei der sich die Arbeitnehmer lediglich bereithalten und dies bis 07:30 Uhr telefonisch anzeigen müssen. Der Kläger war für den 08.04.2021 und den 15.09.2021 mit einem unkonkreten Springerdienst eingetragen. An den jeweiligen Vortagen, an denen der Kläger dienstfrei hatte, informierte die Beklagte ihn per SMS darüber, dass er am Folgetag seinen Dienst anzutreten hat. Der Kläger erschien jedoch nicht zum Dienst, sondern meldete sich an beiden Tagen um 7:30 Uhr lediglich einsatzbereit. Die Beklagte zog die ausgefallenen Stunden von seinem Arbeitszeitkonto ab und mahnte den Kläger nach dem zweiten Ausfall schriftlich ab.
Der Kläger begehrte gerichtlich die Gutschrift von Arbeitszeitguthaben und die Entfernung der Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens aus seiner Personalakte. Das ArbG wies die Klage ab, das LAG gab ihr statt. Vor dem BAG hatte die Klage allerdings keinen Erfolg.
Entscheidung: Nach Ansicht des BAG (Urteil vom 23.8.2023 – 5 AZR 349/22) war die durch Weisung der Beklagten erfolgte Konkretisierung der Dienstplaneinteilung wirksam. Der Kläger hätte an den streitigen Tagen zu der mitgeteilten Uhrzeit vor Ort seine Arbeitsleistung tatsächlich anbieten müssen. Nachdem er dies nicht tat, hat er weder Anspruch auf Korrektur seines Arbeitszeitkontos noch auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte.
Das BAG führt zur Begründung aus, dass ein Anspruch auf Korrektur des Arbeitszeitkontos nur bestehe, wenn sich die Arbeitgeberin an den streitigen Tagen tatsächlich in Annahmeverzug befunden hätte. Dieser setze wiederum voraus, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung so angeboten habe, wie er sie zu erbringen hatte, d.h. „am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise“. Durch die Mitteilung der Arbeitgeberin per SMS seien diese Kriterien wirksam konkretisiert worden, woraus sich ergab, dass sich der Arbeitnehmer zu der mitgeteilten Zeit auf der Rettungswache hätte einfinden müssen. Die von dem Arbeitnehmer gegen die Wirksamkeit der erteilten Weisung vorgebrachten Argumente entkräftete das BAG wie folgt: Zunächst stehe die Weisung nicht im Widerspruch zu § 12 Abs. 3 S. 2 TzBfG, der für Arbeit auf Abruf festlegt, dass dem Arbeitnehmer die Lage der Arbeitszeit mindestens vier Tage im Voraus mitgeteilt werden muss. Eine Abrufarbeit liege nicht vor, da aufgrund des unkonkreten Springerdienstes bereits eine Diensteinteilung erfolgt sei, die es lediglich noch zu konkretisieren galt. Die konkretisierenden Weisungen jeweils am Vortag des Dienstes seien dem Arbeitnehmer auch zugegangen. Dieser könne sich nicht darauf berufen, keine Kenntnis von der Weisung erlangt zu haben. Er sei verpflichtet gewesen, auch außerhalb der eigentlichen Dienstzeit Kenntnis von der konkretisierenden Weisung zu nehmen. Das ergebe sich aus den Regelungen der geltenden BV in Verbindung mit den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB). Schließlich handle es sich bei der Kenntnisnahme der konkretisierenden Weisung nicht um Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne, sondern um – nicht unterbrochene – Ruhezeit. Der Moment der Kenntnisnahme der SMS stelle sich als zeitlich so geringfügig dar, dass der Arbeitnehmer weiterhin frei über seine Zeit habe verfügen können. Aus den genannten Gründen sei auch die Abmahnung berechtigt – der Arbeitnehmer habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, indem er es unterlassen hat, die Weisungen der Beklagten zur Aufnahme der Dienste zur Kenntnis zu nehmen und anzutreten.
Hinweis: Feststeht nach der Entscheidung, dass Arbeitnehmer verpflichtet sein können, in der Freizeit Weisungen des Arbeitgebers entgegenzunehmen. Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigt nicht zuletzt die klare Ablehnung durch das LAG als Vorinstanz. Dieses sprach sich dafür aus, dass Arbeitnehmer ein Recht auf Unerreichbarkeit in der Freizeit haben und auch die bloße Kenntnisnahme einer konkretisierenden Arbeitgeberweisung die Ruhezeit unterbricht. Für die Praxis bedeutet das anderslautende Urteil des BAG nun einerseits nicht, dass Arbeitnehmer in arbeitsfreien Zeiten völlig unangekündigte und für sie unvorhersehbare Arbeitgeberweisungen zur Kenntnis nehmen müssen. Auch Dienstplanänderungen im Konkreten sollten weiterhin nicht kurzfristig per SMS übermittelt werden, wenn es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass der betroffene Arbeitnehmer auch in seiner Freizeit damit zu rechnen hat. Rechtlich zulässig ist es aber, durch konkrete Ausgestaltung der dafür relevanten Fallgestaltung und in begrenztem zeitlichen Rahmen Situationen festzulegen, in denen die Arbeitnehmer während ihrer Freizeit zur Kenntnisnahme verpflichtet sind. Gänzlich unantastbar ist die Ruhezeit damit nicht mehr und auch das Entgegennehmen (konkretisierender) Arbeitgeberweisungen unterbricht diese nicht. Das BAG argumentiert allerdings klar damit, dass der Mitarbeiter aufgrund der Regelung in der BV mit einer Konkretisierung seines Arbeitsbeginns rechnen musste. Aufgrund der in der BV enthaltenen Frist wurde von ihm auch keine uneingeschränkte Erreichbarkeit gefordert. Es war in dem Fall ausreichend, sich irgendwann ab 20:00 Uhr über den Dienstbeginn zu informieren, sodass es dem Mitarbeiter überlassen war, wann und wo er von der SMS Kenntnis nehmen wollte. Er hätte dies sogar erst am Morgen des Diensttages tun können. Soll eine Pflicht zur Kenntnisnahme von Weisungen auch in dienstfreien Zeiten geregelt werden, empfiehlt sich eine Orientierung an diesen Maßstäben. Ob eine entsprechende Nebenpflicht auch ohne eine der hier maßgeblichen BV vergleichbare Regelung bestehen kann, bleibt weiterhin unbeantwortet. Beispielsweise bei betrieblicher Üblichkeit, mit der eine entsprechende Vorhersehbarkeit für die Arbeitnehmer einhergeht, wäre das jedenfalls nicht ausgeschlossen.