Insbesondere in den 1950er- bis 1970er-Jahren waren betriebsrentenrechtliche Zusagen, die einen bestimmten Grad des letzten Brutto- oder Nettoentgelts des Arbeitnehmers bei Eintritt des Versorgungsfalls zusagten, weit verbreitet. Sagte beispielsweise der Arbeitgeber einen sog. Bruttogesamtversorgungsgrad von 75 % zu, so hatte er bei derartigen Gesamtversorgungssystemen eine Betriebsrente zu erbringen, die sich aus der Differenz zwischen dem bestimmten, sich aus dem zugesagten Versorgungsgrad ergebenden Betrag (im Beispiel also 75 % des letzten Bruttoentgelts) und dem sonstigen anzurechnenden Alterseinkommen (bspw. und vorwiegend solchem der gesetzlichen Rentenversicherung) ergab. Gesamtversorgungssysteme hatten und haben für die begünstigten Arbeitnehmer daher in der Regel einen hohen Wert: Sie garantieren ein Versorgungsniveau, welches dem Erhalt des Lebensstandards des Berechtigten im aktiven Erwerbsleben auch nach Eintritt des Versorgungsfalls dienen soll und stellen den individuellen Versorgungsbedarf des Begünstigten in den Vordergrund. Sie gewährleisten damit ein vom zusagenden Arbeitgeber für angemessen erachtetes (Gesamt-)Versorgungsniveau.
Gesamtversorgungszusagen = attraktiv für den Arbeitnehmer, aber risikoreich für den Arbeitgeber
So vorteilhaft und attraktiv solche Gestaltungen für den Arbeitnehmer auch sind, so wohnt ihnen doch ein Risiko inne, welches sich durch die Rentenreformgesetze in der gesetzlichen Rentenversicherung in den vergangenen Jahrzehnten realisierte. Sanken die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, so vergrößerte sich das vom Arbeitgeber als Betriebsrente im Versorgungsfall zu gewährende Delta, um den betriebsrentenrechtlich zugesagten Gesamtversorgungsgrad zu gewährleisten. Der Arbeitgeber wurde – wenn auch nicht rechtlich, so doch faktisch – zum „Ausfallbürgen der gesetzlichen Rentenversicherung“ und den dortigen Leistungsabsenkungen. Die damit für ihn verbundenen, mitunter wirtschaftlich erheblich belastenden Auswirkungen führten dazu, dass die Bedeutung von Gesamtversorgungszusagen zunehmend zurückging und solche nicht selten abgelöst wurden. Dennoch existieren nach wie vor zahlreiche, unabgelöste Gesamtversorgungszusagen, in denen begünstigte Versorgungsberechtigte einen Versorgungsfall erleben und Streit über die Berechnung des sich ergebenden Gesamtversorgungsanspruchs entstehen kann.
Streitigkeiten bei Ermittlung des Gesamtversorgungsanspruchs – Was geschieht bei Änderungen der Vergütung?
So lag es in einem Sachverhalt, der der Entscheidung des BAG vom 20.01.2024 (3 AZR 144/23) zugrunde lag. Dem Arbeitnehmer war eine Gesamtversorgungszusage nach einer Versorgungsordnung aus dem Jahr 1976 (VO 1976) im Wege einer sog. Gesamtzusage erteilt worden. Eine Gesamtzusage liegt vor, wenn ein Arbeitgeber einseitig bekannt gibt, dass er einem bestimmten Personenkreis, der die von ihm abstrakt festgelegten Voraussetzungen erfüllt, eine bestimmte Leistung gewährt. Dem Arbeitnehmer war durch die VO 1976 eine Gesamtversorgung zugesagt, „die sich aus dem anzurechnenden Einkommen und der zusätzlichen Werkspension“ zusammensetzte. So konnte sich – abhängig von den geleisteten Dienstjahren – ein Gesamthöchstversorgungsprozentsatz von 75 % „des ruhegehaltsfähigen Einkommens“ ergeben. Zum anzurechnenden Einkommen zählten insbesondere die Altersrenten der gesetzlichen Rentenversicherung. Ausgangspunkt der Berechnung war dabei zunächst die Ermittlung des sog. „ruhegeldfähigen Einkommens“. Es wurde normiert, dass „für die Errechnung der Versorgungsleistungen (…) die höchste Monatsvergütung (Anlage 1 zum jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag bzw. vertraglich vereinbarte Monatsvergütung) der vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vorhergehenden 3 Jahre zu berücksichtigen“ sei. Ferner enthielt die Regelung eine Aufzählung, wonach Zulagen (wie etwa Vorarbeiter- oder Schichtzulagen) ebenfalls zum ruhegehaltsfähigen Einkommen zu zählen seien.
Nachdem es 1999 und 2010 zu Tarifabschlüssen unter Einführung neuer, in den Tarifverträgen ausdrücklich für nicht ruhegehaltsfähig erklärter Entgeltbestandteile wie einer sog. „individuellen Zulage“ und „tariflichen Aufstockungsbeträgen“ für die aktiv Beschäftigten – wie den Kläger – gekommen war und sich die (unstreitig ruhegehaltsfähigen) tariflichen Tabellenentgelte nur noch gering entwickelt hatten, begehrte der Kläger, dass die neu eingeführten Zulagen auch bei Berechnung des ruhegehaltsfähigen Einkommens als Teil der „Monatsvergütung“ und mithin leistungserhöhend bei Ermittlung des Gesamtversorgungsanspruchs zu berücksichtigen seien. Andernfalls werde die ihm erteilte Zusage unzulässig ausgehöhlt.
Auslegung entsprechend AGB-Recht – „Monatsvergütung“ ≠ mtl. Arbeitsentgelt i. S. v. § 611a Abs. 2 BGB
Das BAG folgte diesem Begehren nicht. Die VO 1976 unterliege als Gesamtzusage den Auslegungsgrundsätzen Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB). Diese sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Ansatzpunkt für die Auslegung von AGB sei in erster Linie der Vertragswortlaut. Sei dieser nicht eindeutig, komme es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen sei. Gemessen an diesen Grundsätzen seien die Begriffe „ruhegeldfähiges Einkommen“ und „Monatsvergütung“ in der VO 1976 nicht gleichbedeutend mit dem gesamten monatlichen Arbeitsentgelt i. S. v. § 611a Abs. 2 BGB. Enthalte eine Versorgungsregelung vielmehr detaillierte und abschließende Sonderregeln zur Bemessung des ruhegeldfähigen Einkommens sowie Ausnahmen für einzelne Vergütungsbestandteile, fehlten damit aus Sicht des BAG in der Regel Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber auf das gesamte, zuletzt geschuldete Arbeitsentgelt abstellen wolle.
Der Zweck einer solchen Regelung – wie in der VO 1976 – bestehe für rechtsunkundige, verständige und redliche Vertragspartner darin, so detailliert und klar wie möglich – für die Zukunft – berücksichtigungsfähige Gehaltsbestandteile abschließend für die Berechnung des ruhegeldfähigen Einkommens zur Bemessung der Betriebsrente zu bestimmen.
Eine Vergütung nach einer in Bezug genommenen tariflichen Vergütungstabelle entwickele sich i. d. R. dynamisch entsprechend den Tarifverhandlungen und nach der tariflichen Eingruppierung der Versorgungsberechtigten. Wenn ein Arbeitnehmer höherzustufen oder höherzugruppieren ist, erhöhe sich das maßgebliche ruhegeldfähige Einkommen entsprechend. Eine Tabellenvergütung bilde den Kernvergütungsbestandteil, der das ruhegeldfähige Einkommen, die Monatsvergütung und damit auch das Versorgungsniveau kennzeichne. Auf diesen Betrag könne sich der Versorgungsberechtigte als prägenden Versorgungsteil im Ruhestand einstellen und verlassen. Zudem bediente sich der Arbeitgeber in jener Sache einer Öffnungsklausel mit besonderen Anforderungen für noch nicht näher bestimmte Zulagen bzw. Gehaltsbestandteile: Sie müssten ausdrücklich als ruhegeldfähig zugesagt sein. Daraus folge erkennbar, dass Gehaltsbestandteile, die nicht erwähnt seien, nur dann Berücksichtigung für das Ruhegeld finden sollten, wenn sie ausdrücklich als ruhegeldfähig zugesichert würden.
Keine „Aushöhlung“ der Zusage durch neue Entgeltbestandteile – Vorhang fällt, aber viele Fragen offen
Weder sei die Zusage durch Einführung der Entgeltbestandteile lückenhaft geworden (die in Bezug genommene Tabellenvergütung existiere noch), noch könne von einer Aushöhlung gesprochen werden. Die Zulagen machten weniger als 20 % der Gesamtvergütung aus. Auch seien die tariflichen Tabellenentgelte nicht eingefroren worden, sondern angestiegen. Entsprechend liege auch kein Eingriff in eine bereits erdiente Dynamik der Ruhegehaltszusage vor, da die endgehaltsbezogene Zusage ebenso unangetastet blieb wie die Anknüpfung an den variablen Berechnungsfaktor „Monatsvergütung“.
Das BAG bestätigt mit der Entscheidung seine Rechtsprechung, neue Entgeltbestandteile als nicht ruhegehaltsfähig definieren zu können (vgl. BAG v. 25.01.2022 – 3 AZR 345/21). Die Entscheidung wirft dennoch Fragen auf: Wie wäre die Entscheidung ausgefallen, wenn die Zulagen einen höheren Prozentsatz der „neuen“ Gesamtvergütung ausgemacht hätte? Was wäre die Konsequenz, wenn die Tabellenentgelte „eingefroren“ worden wären? Diese unbeantworteten Fragen machen deutlich, dass derartige Veränderungen durchaus mit erheblichen Risiken für den die Versorgung schuldenden Arbeitgeber behaftet sind. Eine genaue Analyse ist angezeigt, die neben den Wirkungen auf die Versorgungszusagen, das gesamte Vergütungssystem und dessen (kollektiven) Rechtscharakter in den Blick nehmen sollte.