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von Dr. Josefine Müh
Sachverhalt: Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer Versetzung ins Ausland durch Weisung der Arbeitgeberin. Der Kläger war seit Januar 2018 bei einer Fluggesellschaft mit Sitz in Malta bzw. deren Rechtsvorgängerin als Pilot beschäftigt und am Flughafen Nürnberg stationiert. Nach dem Entschluss der Arbeitgeberin, den Stationierungsort Nürnberg Ende März 2020 aufzugeben, versetzte sie den Kläger mit Schreiben vom 20.01.2020 mit Wirkung zum 01.05.2020 an die Homebase am Flughafen Bologna in Italien. Hilfsweise sprach sie eine entsprechende Änderungskündigung aus.
Der Kläger begehrte die gerichtliche Feststellung, dass seine Versetzung nach Bologna unwirksam ist. Diese sei nicht von dem arbeitgeberseitigen Weisungsrecht nach § 106 S. 1 GewO umfasst, welches eine Versetzung ins Ausland nicht zulasse. Jedenfalls sei die Versetzung im konkreten Fall unbillig, da er seine tariflichen Vergütungsansprüche verliere und ihm auch im Übrigen erhebliche finanzielle Nachteile entstünden. Das ArbG und das LAG wiesen die Klage ab. Auch vor dem BAG hatte die Klage keinen Erfolg.
Entscheidung: Nach Ansicht des BAG (Urteil vom 30.11.2022 – 5 AZR 336/21) war die Versetzung des Klägers an den Stationsort Bologna von dem Weisungsrecht der Beklagten gedeckt und rechtswirksam. Die Ausübung des Weisungsrechts halte im Streitfall auch der gesetzlich vorgesehenen Billigkeitskontrolle stand. Infolgedessen sei der gegen die vorsorgliche Änderungskündigung gerichtete Hilfsantrag nicht zur Entscheidung angefallen.
Nach § 106 S. 1 GewO könne der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung, einen anwendbaren Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften festgelegt seien. Im zu entscheidenden Fall wurde der Arbeitsort des Klägers weder vertraglich noch ausdrücklich oder konkludent vereinbart. Zwar spreche der Arbeitsvertrag von einer „hauptsächlichen“ Stationierung am Nürnberger Flughafen. Dennoch sehe die Vereinbarung ausdrücklich eine unternehmensweite und damit auch außerhalb Deutschlands liegende Einsatzmöglichkeit vor. Folglich sei der Arbeitsort des Klägers nicht abschließend festgelegt. Eine Konkretisierung des Stationierungsortes sei auch nicht dadurch erfolgt, dass die Beklagte das Weisungsrecht über einen längeren Zeitraum nicht ausgeübt habe. Diese Nichtausübung habe keinen Erklärungswert und schaffe keinen Vertrauenstatbestand. Da es an einer vertraglichen Bestimmung fehlte, konnte die Beklagte nach § 106 S. 1 GewO dem Kläger auch einen Arbeitsplatz in einer Betriebsstätte im Ausland zuweisen.
Darüber hinaus scheitere die Zuweisung des ausländischen Arbeitsortes auch nicht daran, dass in einen „Kernbereich des Arbeitsverhältnisses“ eingegriffen würde, da nur der Ort der Arbeitsleistung – welcher gerade nicht ausschließlich festgelegt war – geändert wurde, nicht aber der Inhalt des Vertrages. Die beanstandete Geldeinbuße beruhe auf der Versetzung in ein anderes Tarifgebiet, was den arbeitsvertraglichen Inhalt ebenso nicht antaste. Auch die sonstigen möglichen Nachteile, etwa bei Arbeitslosigkeit und bzgl. der Rentenversicherung, seien vom Willen der Beklagten unabhängige Rechtsfolgen.
Nicht zuletzt scheitere die Versetzung auch nicht an der Ausübungskontrolle nach § 106 S. 1 GewO, § 315 BGB, welche durchgeführt werden müsse, wenn es an einer vertraglichen Einschränkung hinsichtlich einer möglichen Versetzung fehle. Dem Arbeitgeber verbleibe im Falle einer Versetzung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Da vorliegend die Weisung der Beklagten aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung getroffen wurde, komme dieser besonderes Gewicht zu, ohne dass das unternehmerische Konzept auf seine Zweckmäßigkeit zu überprüfen wäre. Nachdem alle 21 am Stationierungsort Nürnberg angesiedelten Piloten versetzt wurden, schied eine Auswahl, wen eine Versetzung nach Italien weniger treffen würde, aus. Auch der Verweis des Klägers auf den Wohnort Nürnberg und die darauf zugeschnittene persönliche und familiäre Situation bedinge nicht die Unbilligkeit der Versetzung. Letztlich müsse ein Pilot bei einer international tätigen Fluggesellschaft damit rechnen, an einem anderen Ort stationiert zu werden.
Hinweis: Nach nun eindeutiger Klarstellung des BAG ist das arbeitgeberseitige Direktionsrecht nicht national begrenzt. Insbesondere Arbeitnehmer, die in international tätigen Unternehmen arbeiten, dürfen einen festen Arbeitsort im Inland nur erwarten, wenn dies vereinbart wurde. Nachdem das BAG die Entscheidungsgründe eher allgemein entwickelte, ist seine Argumentation auch auf andere Branchen mit vergleichbaren Arbeitsplätzen übertragbar. Das Ausmaß des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts lässt sich aber auch in diesen Branchen arbeitsvertraglich beschränken. Dieser Gestaltungsspielraum ist für den Arbeitgeber in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Hält er den Arbeitsort offen und behält sich damit eine internationale Versetzungsmöglichkeit vor, bleibt der Mitarbeitereinsatz einerseits sehr flexibel und selbst Umstrukturierungen können gegebenenfalls ohne eine Änderung der Verträge einseitig durchgesetzt werden. Umgekehrt ist noch nicht abschließend geklärt, was eine internationale Versetzungsmöglichkeit für andere relevante Bereiche des deutschen Arbeitsrechts bedeutet. Zwar gilt beispielweise der deutsche Kündigungsschutz grundsätzlich nur für inländische Betriebe. Das BAG ließ aber offen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen für international tätige Unternehmen eine Ausnahme gilt. Dies könnte bedeuten, dass der Arbeitgeber, der eine weitreichendere Austauschbarkeit der Mitarbeiter kreiert bzw. diese nicht vertraglich einschränkt, bei (betriebsbedingten) Kündigungen anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bei internationaler Vergleichbarkeit prüfen und gegebenenfalls als milderes Mittel anbieten muss. Dieselben Überlegungen könnten beispielsweise im Rahmen der Prüfung einer leidensgerechten Beschäftigungsmöglichkeit, auf die zwar nicht schwerbehinderte Mitarbeiter keinen gesetzlichen Anspruch haben, die aber stets bei krankheitsbedingten Kündigungen stattfinden muss, erforderlich und relevant sein. Der vorausschauende Arbeitgeber wird daher bereits bei der Vertragsgestaltung abwägen müssen, wie viel örtliche Flexibilität er für den jeweiligen Arbeitsplatz tatsächlich für sinnvoll bzw. erforderlich erachtet. Denn allein der jahrelange Einsatz an einem bestimmten inländischen Arbeitsplatz führt nicht zu einer Konkretisierung des Arbeitsortes in Gestalt einer konkludenten Vereinbarung.