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Lohngleichheit bei Teilzeitbeschäftigung

von Liv-Loreen Perkhoff LL.M.

Sachverhalt: Die Parteien stritten unter dem Gesichtspunkt der Benachteiligung wegen Teilzeitbeschäftigung über eine höhere Stundenvergütung. Die Beklagte erbringt Rettungsdienste und beschäftigt neben „hauptamtlichen“ Rettungsassistenten in Voll- und Teilzeit auch „nebenamtliche“ Rettungsassistenten im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung. Den hauptamtlichen Rettungsassistenten zahlt die Beklagte eine Stundenvergütung in Höhe von EUR 17,00 brutto, den nebenamtlichen nur in Höhe von EUR 12,00 brutto. Die nebenamtlichen Rettungsassistenten werden nicht fest in Schichten zugeteilt, sondern erhalten Dienstpläne mit den noch zu besetzenden Schichten, auf welche sie sich dann melden können. Jedoch besteht kein Anspruch auf Zuteilung von Dienstschichten. Der Kläger war als sog. nebenamtlicher Rettungsassistent im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten tätig. Er begehrte die Differenzvergütung gegenüber einem hauptamtlichen Rettungsassistenten für die Zeit von Januar 2020 bis April 2021, mit der Begründung, dass die unterschiedliche Stundenvergütung gegen das gesetzliche Verbot der Benachteiligung wegen Teilzeitbeschäftigung verstoße. Die unterschiedliche Vergütung begründet die Beklagte damit, dass die nebenamtlichen Rettungsassistenten im Gegensatz zu den hauptamtlichen nicht verbindlich in Dienstpläne eingeteilt würden, sondern ihre Arbeitszeit frei einteilen und Wunschtermine für ihre Einsätze selbst benennen könnten. Die nebenamtlichen Rettungsassistenten seien deshalb mit den hauptamtlichen Rettungsassistenten nicht vergleichbar. Außerdem sei der Einsatz der nebenamtlichen Rettungsassistenten mit einer geringeren Planungssicherheit und einem größeren Planungsaufwand verbunden, als dies beim Einsatz der hauptamtlichen Rettungsassistenten der Fall sei.

Entscheidung: Das ArbG wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers hat das LAG das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte zur beantragten Zahlung verurteilt. Das BAG (Urteil vom 18.01.2023 – 5 AZR 108/22) folgte dem LAG und wies die Revision zurück. Als geringfügig Beschäftigter sei der Kläger Teilzeitarbeitnehmer. Als solcher dürfe er gemäß § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ohne sachlichen rechtfertigenden Grund nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer Vollzeitarbeitnehmer. Der Kläger verfüge als nebenamtlicher Rettungsassistent über die gleiche Qualifikation wie die hauptamtlichen Rettungsassistenten in Vollzeit und übe dieselbe Tätigkeit aus wie diese. Der Vorteil, dass er im Gegensatz zu den hauptamtlichen Rettungsassistenten, die von ihm zu erbringenden Dienste selbst auswählen könne, werde durch den Nachteil, dass er nach Lage und Umfang keinen Anspruch auf Zuweisung der gewünschten Dienste und damit keinen gesicherten Entgeltanspruch habe, wieder aufgewogen. Die behaupteten Unterschiede bei Planungssicherheit und -aufwand seien jedenfalls nicht hinreichend dargelegt worden. Ein sachlicher Grund für die geringere Stundenvergütung des Klägers im Vergleich zu den hauptamtlichen Rettungsassistenten sei insgesamt nicht ersichtlich. Das BAG wies sogar darauf hin, dass sich der Planungsaufwand bei nebenamtlichen Rettungsassistenten eher verringere, da bei der Dienstplanung anders als für die Hauptamtlichen nicht geprüft werden müsse, ob eine Einteilung – etwa mit Blick auf Urlaub oder Arbeitsunfähigkeit – möglich sei. Letztlich sei auch die besondere steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung geringfügig Beschäftigter kein sachlicher Grund für eine geringere Bezahlung. Die im Sozialversicherungs- und Steuerrecht getroffenen Differenzierungen verfolgen öffentlich-rechtliche und zum Teil auch arbeitsmarktpolitische Zwecke. Allerdings erlauben sie dem Arbeitgeber nicht, teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer geringer zu vergüten als Vollzeitbeschäftigte. Die Ansprüche des Klägers seien auch nicht nach der im Arbeitsvertrag enthaltene Verfallklausel entfallen, da diese gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstoße und demnach insgesamt unwirksam sei. Im Ergebnis wurde dem Kläger der Anspruch in voller Höhe zugesprochen.

Hinweis: Geringfügig Beschäftigte spielen oftmals nur eine Nebenrolle. Jedoch sollten Arbeitgeber, die Minijobber beschäftigen, in Anbetracht der BAG-Entscheidung die Vergütung ihrer Minijobber überprüfen. Die Entscheidung macht anschaulich, dass auch geringfügigen Beschäftigte „normale“ Teilzeitarbeitnehmer sind und allein deshalb nicht schlechter behandelt werden dürfen als Vollzeitarbeitnehmer. Bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit muss ein Minijobber somit grundsätzlich die gleiche Stundenvergütung erhalten wie ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer.

 

 

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