Wir sind eine überörtliche Fachkanzlei für Arbeitsrecht und bundesweit tätig. Wir beraten große Konzerne, mittelständische Unternehmen, soziale und öffentlich-rechtliche Organisationen sowie Führungskräfte. Als Spezialisten sind wir auch in der betrieblichen Altersversorgung und an Schnittstellen zum Gesellschafts-, Sozial- und Verwaltungsrecht tätig.
von Dr. Nils Börner
Dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts lag ein Streit über die Rückzahlung von Fortbildungskosten zugrunde.
Sachverhalt: Die Klägerin, die eine Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzlei betreibt, hatte ihrer Buchhalterin Kosten für die Teilnahme an einem Lehrgang zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung erstattet. Bereits nach Beginn des Lehrgangs schlossen die Parteien einen „Fortbildungsvertrag“, welcher u.a. regelte, unter welchen Bedingungen das in Anspruch genommene Förderbudget zurückzuzahlen sein sollte. Eine Rückzahlungspflicht sollte bestehen, wenn die Angestellte innerhalb von 24 Monaten nach bestandenem bzw. nicht bestandenem Berufsexamen das Unternehmen verlässt oder wenn die Angestellte das Examen wiederholt nicht ablegt.
Zu Letzterem Rückzahlungsgrund regelten die Parteien Folgendes:
„Abbruch des Examens: Falls der Angestellte nach Erhalt der Förderung das Examen nicht ablegt, ist der gesamte gewährte Förderbetrag zum Zeitpunkt des aus geschäftspolitischer Sicht nächstmöglichen Prüfungszeitpunktes vollständig zurückzuzahlen, wenn auch diese Prüfung nicht angetreten wurde. Dies gilt auch, wenn der Angestellte das Unternehmen in diesem Fall aufgrund eigener Kündigung oder einer verhaltensbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber oder sonstiger Auflösung aus gleichem Grunde verlässt.“
Diese Konkretisierung wurde flankiert von einer sog. Härtefallregelung, wonach die Angestellte das Examen nach Wegfall eines nicht von ihr zu vertretenden objektiven Hinderungsgrundes wieder aufnehmen und abschließen musste. Überdies vereinbarten die Parteien in einem Nachtrag, dass es sich bei dem Förderbudget um ein „unverzinsliches Darlehen“ handeln sollte.
Die Beklagte trat die Steuerberaterprüfung nicht an, sondern kündigte das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 30.06.2020. Die Klägerin nahm die ehemalige Angestellte daraufhin auf Rückzahlung von rund EUR 4.000,00 in Anspruch.
Entscheidung: Das Arbeitsgericht gab der Klage auf Rückzahlung statt. Das Landesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts und wies die Berufung zurück. Das BAG urteilte hingegen, dass die Klage unbegründet sei.
Aus Sicht des BAG (Urteil vom 25.04.2023 – 9 AZR 187/22) halten die Vereinbarungen über die Rückzahlung des Förderbudgets einer AGB-Kontrolle nicht stand. Die einseitig vorformulierten Vertragsbedingungen gestalteten das Hauptleistungsversprechen aus und seien daher einer Inhaltskontrolle zu unterziehen. Die Vereinbarung, wonach es sich um die Gewährung eines unverzinslichen Darlehens handeln solle, ändere hieran nichts, da kein Darlehen im Rechtssinne vorliege.
Allgemeine Geschäftsbedingungen dürfen die Interessen der Arbeitnehmer nicht unangemessen beeinträchtigen. Durch Vereinbarungen über die Rückzahlung von Fortbildungskosten wird ein Bleibedruck auf den Arbeitnehmer ausgeübt und damit das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG eingeschränkt. Daher muss die Rückzahlungspflicht einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen und andererseits den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenüberstehen.
Gemessen hieran ist es nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das wiederholte Nichtablegen der angestrebten Prüfung zu knüpfen, ohne die Gründe dafür zu betrachten. Nach Auffassung des BAG müssten jedenfalls praktisch relevante Fallkonstellationen, in denen die Gründe für die Nichtablegung der Prüfung nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers liegen, von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden. Hieran fehlte es vorliegend. Daher war die konkrete Ausgestaltung der Rückzahlungspflicht als unangemessen einzustufen.
Hinweis: Wie das BAG selbst betont, sind einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er die Fortbildung nicht beendet, grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Allerdings sind bei der Ausgestaltung auch die Interessen der Arbeitnehmer zu beachten und daher Ausnahmen für die Rückzahlungspflicht geboten.
Zwar können Rückzahlungsklauseln auch mit Härtefallregelungen flankiert werden. Sind diese jedoch zu umfassend gestaltet, so muss darauf geachtet werden, dass sie den Transparenzanforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genügen.