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von Cora Kosch
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat für den Fall, dass eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit (Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG) klagt, entschieden, dass der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das vom Arbeitgeber nach §§ 10 ff. EntgTranspG mitgeteilte Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) der männlichen Vergleichsperson(en), regelmäßig die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung begründet, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist.
Sachverhalt: Die Klägerin, die als Abteilungsleiterin bei der Beklagten, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, beschäftigt war, hatte von dieser Auskunft nach §§ 10 ff. EntgTranspG darüber verlangt, wieviel ihre männlichen Kollegen in vergleichbarer Position verdienen.
Die Beklagte hatte ihr daraufhin mitgeteilt, dass nach der gesetzlich vorgegebenen Berechnungsweise sowohl das Grundgehalt als auch die Zulage der Klägerin geringer ausfalle als das Gehalt der männlichen Abteilungsleiter im Unternehmen. Angegeben wurde das Vergleichsentgelt entsprechend den Vorgaben des § 11 Abs. 3 S. 3 EntgTranspG als “auf Vollzeitäquivalente hochgerechneter statistischer Median” des durchschnittlichen monatlichen übertariflichen Grundentgelts sowie der übertariflichen Zulage (Median-Entgelte).
Daraufhin klagte die Arbeitnehmerin die Differenz zwischen dem ihr gezahlten Grundentgelt sowie der ihr gezahlten Zulage und der ihr mitgeteilten höheren Median-Entgelte rückwirkend ein.
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) änderte das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung der Beklagten hin ab und wies die Klage ab. Es nahm an, es lägen schon keine ausreichenden Indizien im Sinne von § 22 AGG vor, die die Vermutung begründeten, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfahren habe. Das Gehalt der Klägerin liege zwar unter dem Median, diese Auskunft allein sei allerdings nicht ausreichend, um eine Diskriminierung festzustellen.
Entscheidung: Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Mit der vom LAG gegebenen Begründung durfte die Klage nach Auffassung des BAG (Urteil vom 21.01.2021 – 8 AZR 488/19) nicht abgewiesen werden. Die Klägerin habe eine unmittelbare Entgeltbenachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG erfahren, da die Beklagte ihr ein geringeres Entgelt gezahlt habe als den männlichen Abteilungsleitern, die das von der Beklagten mitgeteilte Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) erhalten. Entgegen der Annahme des LAG begründe dieser Umstand die – von der Beklagten widerlegbare – Vermutung, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung „wegen des Geschlechts“ erfahren habe. Hierbei verwies das BAG auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dieser hatte klargestellt, dass es als Indiz für eine Diskriminierung genüge, wenn das Vergleichsentgelt höher sei (vgl. etwa EuGH 28. Februar 2013 – C-427/11 – [Kenny ua.] Rn. 19).
Aufgrund der bislang vom LAG getroffenen Feststellungen konnte das BAG nicht entscheiden, ob die Beklagte, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft, diese Vermutung den Vorgaben von § 22 AGG in unions-rechtskonformer Auslegung entsprechend widerlegt hat. Deshalb wurde das Urteil des LAG aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.
Hinweis: Die Entscheidung gibt den Auskunftsansprüchen des EntgTranspG neues Gewicht. Ging man bisher da-von aus, dass die Auskunft nach dem EntgTranspG keine Indizien für eine Diskriminierung ergeben kann, ist dies ab jetzt anders. Eine Diskriminierungsindiz ist damit schon dann gegeben, wenn eine Vergütung unter einem statistischen Mittelwert liegt. Da das sowohl für Männer wie für Frauen gelten kann, ist es möglich, dass Diskriminierungsklagen mit diesem Argument von allen Geschlechtern erhoben werden. Es empfiehlt sich daher sehr, die Entgeltfindung im außertariflichen Bereich möglichst transparent zu machen und ggf. auch entsprechende Systeme zu implementieren. Im Tarifbereich sollte auf die korrekt Umsetzung der tariflichen Entgeltordnungen geachtet werden, um sich auf diese auch berufen zu können.