EntgTranspG – Vermutung einer unmittelbaren Geschlechterdiskriminierung
23.07.2021
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01.10.2021

Arbeitnehmerbegriff bei Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers

von Katharina Delling-Pfab

Sachverhalt: Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich und fristgerecht. Der Kläger stützte sich im Rahmen seiner Kündigungsschutzklage hauptsächlich darauf, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei. Auch sei das Kündigungsschutzgesetz anwendbar, da die Beklagte neben den 8,5 Arbeitnehmern auch zwei Fremdgeschäftsführer beschäftigte, so dass der erforderliche Schwellenwert i. S. d. § 23 Abs. 1 S.3 KSchG für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes von mehr als 10 Arbeitnehmern überschritten sei.

Der Kläger hatte weder in den Vorinstanzen noch vor dem BAG Erfolg.

Entscheidung: Nach dem Urteil des BAG (Urteil vom 27. April 2021 – 2 AZR 540/20) bedurfte die Kündigung keiner sozialen Rechtfertigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG, da die Beklagte nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigte und somit der Geltungsbereich des KSchG nicht eröffnet war. Die zwei Fremdgeschäftsführer seien bei der Berechnung der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer nicht zu berücksichtigen.

Entgegen der Begründung des LAG München stützte das BAG die Klageabweisung nicht auf § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, wonach die Vorschriften des ersten Abschnittes des Kündigungsschutzgesetzes nicht auf vertretungsberechtigte Organmitglieder anwendbar sind. Die Frage, ob der für die Anwendbarkeit des KSchG erforderliche Schwellenwert erreicht ist, sei nicht im ersten Abschnitt, sondern im vierten Abschnitt des KSchG geregelt. Darüber hinaus sah das BAG entgegen der Vorinstanz auch keinen Wertungswiderspruch darin, dass man Fremdgeschäftsführern selbst gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG den gesetzlichen Kündigungsschutz nicht zukommen lässt, sie aber gleichzeitig bei der Eröffnung des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes i. S. d. § 23 Abs. 1 S.3 KSchG mitberücksichtigt. Eine über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Anwendung von § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG scheide nach Auffassung des BAG aus.

Allerdings habe der Kläger im vorliegenden Fall schon gar nicht dargestellt, dass die Fremdgeschäftsführer im Rahmen eines Arbeitsvertrages i. S. v. § 611 a Abs. 1 BGB bei der Beklagten tätig sind. In der Regel seien Geschäftsführer auf der Grundlage eines Dienstvertrages tätig. Eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, welche mit der eines Arbeitnehmers vergleichbar ist, komme allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht. Hierfür wäre neben dem gesellschaftsrechtlichen Weisungsrecht eine Weisungsbefugnis bzgl. der konkreten Umstände und Modalitäten der Leistungserbringung erforderlich. Solche Umstände habe der Kläger nicht vorgetragen.

Das BAG hat in seiner weiteren Begründung klargestellt, dass bei der Bestimmung des betrieblichen Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes gem. §§ 1, 23 KSchG auf den nationalen Arbeitnehmerbegriff i. S. d. § 611a BGB und nicht auf den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff abzustellen ist, für welchen es ausreicht, dass überhaupt Weisungen erteilt werden, so dass Fremdgeschäftsführer aufgrund ihrer gesellschaftlichen Weisungsabhängigkeit unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff fallen würden. Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff beeinflusst nationales Recht nur, wo es auch unionsrechtliche Vorgaben für die Regelungsmaterie gibt. Dies sei im Anwendungsbereich der §§ 1, 23 KSchG nicht der Fall.

Hinweis: Die Entscheidung ist begrüßenswert, da das BAG klargestellt hat, dass der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff nur dort gilt, wo Unionsrecht angewandt wird. Die rechtliche Unsicherheit, ob Geschäftsführer im Anwendungsbereich der §§ 1, 23 KSchG als Arbeitnehmer tituliert und mitgezählt werden, wurde behoben. Allerdings ist im Rahmen des KSchG hinsichtlich des Arbeitnehmerbegriffes erhebliche Vorsicht geboten. Im Rahmen der Massenentlassungsanzeige (§ 17 KSchG) gilt z.B. der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff. Fremdgeschäftsführer müssen in die jeweiligen Schwellenwerte miteingerechnet werden. Stellt der Arbeitgeber hier versehentlich auf den nationalen Arbeitnehmerbegriff ab und geht aufgrund der Nichteinberechnung des Geschäftsführers von einer nichtanzeigepflichtigen Entlassung aus, obwohl die Entlassung mit Einberechnung des Geschäftsführers anzeigepflichtig wäre, würde dies die Unwirksamkeit aller Kündigungen nach sich ziehen. In der Praxis ist daher aufgrund der erheblichen Relevanz immer ganz genau zu prüfen, welcher Arbeitnehmerbegriff ausschlaggebend ist.

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