Die Eingruppierungsregelungen der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (TVöD/TV–L) enthalten sogenannte Aufbaufallgruppen, sodass Tarifmerkmale einer Eingruppierungsnorm auch Bestandteile der auf dieser aufbauenden, höheren Eingruppierungsnorm beinhalten.
Wertet ein Arbeitgeber die Tätigkeit eines Beschäftigten ein, so erklärt er damit, dass nach seiner rechtlichen Einschätzung die Tätigkeit des Beschäftigten die Voraussetzung einer Eingruppierungsnorm erfüllt. Macht nun ein Beschäftigter/eine Beschäftigte eine höhere Eingruppierung geltend und handelt es sich bei der begehrten Entgeltgruppe (EG) um eine Aufbaufallgruppe der vom Arbeitgeber für zutreffend erachteten Eingruppierungsnorm, so stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber an seiner Bewertung festzuhalten und die Aufbaufallgruppe zumindest insoweit als erfüllt anzusehen ist.
Über diese Frage hatte das BAG zu entscheiden. Die Klägerin war Sachgebietsleiterin der Immobilienverwaltung einer Gemeinde. Hierbei machten etwa 15 % ihrer Tätigkeiten die Leitung des Fachgebietes aus, 75 % waren mit den Grundsatzaufgaben des Sachgebietes ausgefüllt, der Rest waren allgemeine Verwaltungstätigkeiten. Die Klägerin wurde nach EG 10 Stufe 4 des TVöD/VKA vergütet. Sie begehrte eine rückwirkende Höhergruppierung ab dem Zeitpunkt der Übertragung der Tätigkeit in EG 11.
Die relevanten Eingruppierungsnormen lauten wie folgend:
„Entgeltgruppe 9b:
Beschäftigte mit abgeschlossener Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.
Beschäftigte, deren Tätigkeit gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistung erfordert. (Gründliche, umfassende Fachkenntnisse bedeuten gegenüber den in Entgeltgruppen 6 – 9a geforderten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der Tiefe und Breite nach.)
Entgeltgruppe 9c:
Beschäftigte, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Entgeltgruppe 9b heraushebt, dass sie besonders verantwortungsvoll ist.
Entgeltgruppe 10
Beschäftigte, deren Tätigkeit sich mindestens 1/3 durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 9c heraushebt.
Entgeltgruppe 11
Beschäftigte, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 9c heraushebt.“
Die Klägerin berief sich mit Blick auf diese Regelungen darauf, dass die Arbeitgeberin mit der Eingruppierung in die EG 10 anerkannt habe, dass sie Tätigkeiten von „besonderer Schwierigkeit und Bedeutung“ im rechtserheblichen Ausmaß erbringe, ein Teil des Heraushebungsmerkmals der EG 11 also bereits erfüllt sei. Es sei daher an der Arbeitgeberin, darzulegen und zu beweisen, dass das Heraushebungsmerkmal nicht gegeben sei. Dies habe er entsprechend den Anforderungen an eine korrigierende Rückgruppierung zu tun.
Leitungstätigkeiten führen mit großer Wahrscheinlichkeit zu einheitlichem Arbeitsvorgang
Das BAG wies die Klage insgesamt ab. Allerdings ergab sich das Obsiegen der Arbeitgeberin erst in der „zweiten Runde“, denn zunächst folgte das BAG der Argumentation der Klägerin. Es stellte fest, dass die Bewertung der Arbeitsvorgänge, also die sachliche Grundlage der Eingruppierung, durch die Arbeitgeberin falsch vorgenommen worden war. Entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung überprüfte das BAG den Arbeitsvorgang, an dem von der Arbeitgeberin verfolgten Arbeitsergebnis und stellte fest, dass sowohl die Tätigkeiten als Sachgebietsleiterin und die Grundsatz- und Sonderaufgaben dem Arbeitsergebnis der Leitung des Sachgebiets „Finanzen und Abwicklung Grundstücksverkehr“ dienten. Da nur ein Arbeitsergebnis erzielt werden sollte, konnte es nach dem BAG auch nur einen Arbeitsvorgang geben.
Damit wurde die Argumentation der Klägerin zu den Heraushebungsmerkmalen relevant. Liegt nur ein Arbeitsvorgang vor und hatte die Arbeitgeberin zumindest für relevante Teile des Arbeitsvorgangs angenommen, dass das Heraushebungsmerkmal gegeben sei, hätte auch die Eingruppierung in die EG 11 die Folge sein können. Ein rechtlich relevanter Teil der Tätigkeit erfüllte ja bereits die Voraussetzungen dieser EG. Nach der Klägerin wäre es daher an der Arbeitgeberin gewesen, entsprechend den Vorgaben der Rechtsprechung zur korrigierenden Rückgruppierung darzulegen und zu beweisen, dass die ursprüngliche Eingruppierung bereits fehlerhaft war.
Erfüllung der Heraushebungsmerkmale einer Aufbaufallgruppe in der Regel von Beschäftigten zu beweisen
Diesem Kniff der Klägerin erteilte das BAG jedoch eine Absage. Die Klägerin habe nach wie vor die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der tariflichen Anforderungen der von ihr begehrten EG. Das BAG wies auch für diese Konstellation darauf hin, dass sich nur auf ein Heraushebungsmerkmal berufen kann, wer konkret vorträgt, wie sich die ausgeübte Tätigkeit von der in der Ausgangsentgeltgruppe bewerteten „Normaltätigkeit“ unterscheidet. Durch diesen Vortrag müsse es möglich sein, einen Vergleich zwischen der Tätigkeit der Ausgangsentgeltgruppe und der höherbewerteten EG zu ziehen. Auch wenn die Arbeitsvorgänge unzutreffend bewertet wurden, würde dies nicht obsolet werden. Vielmehr müsse unter Berücksichtigung der neuen Arbeitsvorgänge die tarifliche Bewertung erneut vorgenommen werden.
Keine Beweiserleichterung über die Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung
Richtigerweise stellte das BAG zunächst fest, dass kein Fall einer korrigierenden Rückgruppierung vorliege, so dass nur eine sinngemäße Anwendung in Betracht komme. Für eine solche gäbe es aber keinen Grund. Die Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung würden das Vertrauen des Beschäftigten in die sorgfältige und damit rechtlich richtige Eingruppierung durch den Arbeitgeber schützen. Die Klägerin habe in die Eingruppierung ja gerade kein Vertrauen gehabt und diese angegriffen. Vertrauensschutz sei daher nicht geboten. Darüber hinaus käme eine Anwendung dieser Grundsätze nur in Betracht, wenn sich aus der angenommenen EG oder den mitgeteilten Tätigkeitsmerkmalen zwingend auch die tariflichen Voraussetzungen der begehrten höheren EG ergeben. Das sei bei Aufbaufallgruppen gerade nicht der Fall. Die ursprüngliche EG 10 ergäbe nicht zwingend die Tätigkeitsmerkmale der EG 11. Die Anforderungen „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“ müssten in der EG 10 bei Arbeitsvorgängen erfüllt sein, die 1/3 der Gesamtarbeitszeit ausmachen, bei der EG 11 jedoch zur Hälfte. Ändere sich die Betrachtung der jeweiligen Arbeitsvorgänge, so müsse gesondert geprüft werden, ob die Tätigkeit die Heraushebungsmerkmale erfülle.