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von Cora Alexandra Kosch
Mit einer Schlussformel im Arbeitszeugnis bringt der Arbeitgeber Dank, Bedauern und Zukunftswünsche zum Ausdruck. Ob er im Einzelfall eine solche Formulierung aufnimmt, steht ihm frei. Entscheidet er sich jedoch dafür, so muss er sich grundsätzlich auch daran festhalten lassen. Wünscht der Arbeitnehmer – berechtigterweise – Anpassungen an seinem Zeugnis, so darf der Arbeitgeber nicht im Gegenzug die Schlussformel wieder streichen. Dies verstieße, wie der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts klargestellt hat, gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot.
Sachverhalt: Die Parteien stritten über den Inhalt eines Arbeitszeugnisses. Die Klägerin war seit 2017 bei der Beklagten, einem Fitnessunternehmen, beschäftigt. Ende Februar 2021 endete das Arbeitsverhältnis. Die Beklagte stellte der Klägerin ein Arbeitszeugnis mit Schlussformel aus. Sie dankte der Klägerin für die wertvolle Mitarbeit und äußerte ihr Bedauern, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschte sie ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg. Die Klägerin verlangte sodann von der Beklagten Zeugnisanpassung. Die gewünschten Änderungen betrafen allerdings nicht die Schlussformel. Nachdem auch das geänderte Zeugnis nicht ihren Vorstellungen entsprach, forderte die Klägerin erneut Anpassungen. Die Beklagte erteilte ihr daraufhin eine weitere Version des Zeugnisses – ohne die ursprünglich enthaltene Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel.
Mit der erhobenen Klage machte die Klägerin die Erteilung des Zeugnisses in letzter Version, jedoch mit der zunächst enthaltenen Schlussformel geltend. Sie war der Auffassung, mit der Erteilung des ersten und zweiten Arbeitszeugnisses habe sich die Beklagte in Bezug auf die Schlussformel gebunden. Mit ihrer Weigerung, das dritte Zeugnis entsprechend zu korrigieren, verstoße sie gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot. Die Beklagte wiederum stellte sich auf den Standpunkt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis mit Dankes- und Wunschformel gehabt, weshalb sie diese auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht verlangen könne. Das Maßregelungsverbot binde – so die Auffassung der Beklagten – den Arbeitgeber lediglich im laufenden Arbeitsverhältnis, gelte aber nicht für Sachverhalte nach dessen Beendigung.
Entscheidung: Das BAG (Urteil vom 06.06.2023 – 9 AZR 272/22) gab der Klägerin Recht: Äußert der Arbeitnehmer nach Zeugniserteilung berechtigte Anpassungswünsche, darf der Arbeitgeber dies nicht zum Anlass nehmen, die Schlussformel in dem neu erteilten Zeugnis zu streichen. Dies stelle eine gemäß § 612a BGB verbotene Maßregelung dar: Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer nicht benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Das Maßregelungsverbot schützt die Willensfreiheit des Arbeitnehmers. Dieser soll ohne Angst vor einer Maßregelung durch den Arbeitgeber darüber entscheiden können, ob er die ihm zustehenden Rechte ausübt. In der Streichung der (für den Arbeitnehmer positiven) Schlussformel liege eine Benachteiligung, so das BAG. Zudem stellte es klar, dass das Maßregelungsverbot nicht nur im laufenden Arbeitsverhältnis Anwendung finde, sondern vielmehr auch nachvertragliche Wirkungen entfalten könne – gerade betreffend die Zeugniserteilung.
Das BAG stellte jedoch auch klar, dass mit der nachträglichen Streichung der Schlussformel nicht immer eine verbotene Maßregelung einhergehen muss. Ein Festhalten an dem von ihm selbst erstellten Zeugnis sei einem Arbeitgeber dann nicht zuzumuten, wenn sachliche Gründe vorliegen, die ein Abweichen als angemessen erscheinen lassen. Um dies zu beurteilen, bedarf es einer Einzelfallprüfung. Die Ausführungen des BAG lassen jedoch vermuten, dass es sich hierbei um Ausnahmefälle handeln dürfte.
Hinweis: Anpassungswünsche von Arbeitnehmern nach Zeugniserteilung sind in der Praxis keine Seltenheit. Erfüllt das Zeugnis die gesetzlichen Anforderungen, laufen sie jedoch ins Leere und können unter Hinweis auf den im Rahmen der Zeugnisformulierung bestehenden Ermessensspielraum des Arbeitgebers abgewehrt werden. Ist das Berichtigungsverlangen allerdings begründet, ist es ratsam, von (grundlosen) Änderungen zu Lasten des Arbeitnehmers abzusehen. Andernfalls sieht man sich womöglich dem Vorwurf der Maßregelung ausgesetzt. Hinsichtlich der Schlussformel empfiehlt es sich, im Einzelfall ggf. von Vornherein auf diese zu verzichten, sollten sich Uneinigkeiten bezüglich des Zeugnisinhalts bereits andeuten. In diesem Fall bleibt es nach der Rechtsprechung des BAG dabei, dass ein Anspruch auf die Formel nicht besteht.