BAG: Arbeitsvertragliche Verfallsklausel, die Mindestlohn nicht ausnimmt, ist unwirksam
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Kein 40- Euro Verzugsanspruch des Arbeitnehmers bei Lohnverzug des Arbeitgebers
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Ermessenspielraum des Arbeitgebers bei der Zuweisung eines Arbeitsplatzes

von André Schiepel

SACHVERHALT: Die Parteien streiten über den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Die Klägerin war bei einer Kommune beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis galt der TV-V. Die Klägerin war in EG11 eingruppiert und als Sachgebietsleitung beschäftigt.

Mit der Klägerin gab es beständige Konflikte. Nach einer erfolglosen Mediation und gescheiterten Gesprächen über eine Versetzung in eine andere Abteilung, baten fünf Mitarbeiter des Sachgebiets der Klägerin um eine räumliche Versetzung der Klägerin. Die Beklagte beauftragte die Klägerin bald danach für vier Altgebäude ein sogenanntes Bauwerksbuch zu erstellen und die Gebäudesubstanz zu bewerten. Gleichzeitig wurde ihr ein anderes Büro zugewiesen. In dem Gebäude, in dem das Büro lag, waren ansonsten keine Büroräume. In ihrem Zimmer befand sich zunächst lediglich ein Schreibtisch und ein Holzstuhl. Auftrag an die Klägerin war es anfangs, das Büro mit Arbeitsmitteln, IT- und Kommunikationseinrichtung sowie weiteren Möbeln auszustatten. Die Klägerin kam diesen Aufforderungen nicht nach. Sie begründet dies damit, dass es sich nicht um eine vertragsgerechte Tätigkeit handele und die Büroausstattung unzureichend sei. Die Beklagte erteilte weiterhin die Weisung, die Arbeitszeiten händisch zu erfassen und nach Einrichtung eines Internetanschlusses bei Ankunft und Gehen jeweils eine E-Mail zur Zeitkontrolle zu schicken. Bei einer Gewerbeaufsichtsamtsbegehung des Gebäudes, in dem die Büroräume lagen, stellt das Gewerbeaufsichtsamt fest, dass mehrere Maßnahmen erforderlich seien, um dem Komplex weiter als Bürogebäude zu nutzen. Die Beklagte setzte diese vom Gewerbeaufsichtsamt geforderten Maßnahmen wohl weitgehend um. Die Klägerin verweigerte weiterhin ihre Leistungen und meldetet sich auch nicht wie verlangt an und ab.

Die Beklagte mahnte die Klägerin mehrfach ab und kündigte sie dann nach Anhörung des Personalrats außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich fristgerecht wegen Arbeitsverweigerung. Hiergegen wandte sich die Klägerin.

ENTSCHEIDUNG: Das Arbeitsgericht und das LAG hatten der Klage stattgegeben. Das BAG (Urteil vom 28.06.2018 –  2 AZR 436/17) hob die Entscheidung des LAG auf und verwies mit klaren Hinweisen an das LAG zurück.

Das BAG stellte zunächst klar, dass ein Arbeitnehmer, der die Arbeit verweigert, dabei das Risiko eingeht, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu verletzen. Der Inhalt seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen bestimmt sich nach der objektiven Rechtslage. Der Arbeitnehmer trägt daher das Risiko, dass seine Rechtsauffassung falsch ist. Ausdrücklich korrigiert dann das BAG die Rechtsauffassung des Ausgangsgerichts, dass die Weisungen an die Klägerin nicht dem billigen Ermessen entsprochen hätten. Das BAG konnte keine unmittelbar rechtswidrigen Weisungen erkennen. Bezogen auf die einzelnen Sachverhaltskomplexe hielt das BAG folgendes fest:

Es war zulässig, die Klägerin zunächst zu beauftragen, für die Ausstattung des Arbeitsplatzes zu sorgen. Dies seien lediglich Nebenarbeiten und keine eigenständigen, von den Arbeitsvorgängen der Entgeltgruppe, abgesonderten Tätigkeiten. Es lag also keine unterwertige Beschäftigung vor.

Die Versetzung in das Gebäude ohne weitere Kontakte sei – im Gegensatz zur Auffassung des LAG – nicht rechtswidrig. Die Klägerin werde hierdurch nicht isoliert, sie können über die übliche Bürokommunikation Kontakt halten. Das BAG wies im Gegenteil darauf hin, dass das LAG die Gründe der Kommune, nämlich kürzere Wegezeiten und bessere Erreichbarkeit, nicht hinreichend gewürdigt hatte.

Die angeblich mangelnden Arbeitsschutzmaßnahmen am Arbeitsplatz rechtfertigten keine Arbeitsverweigerung. Zum einen hätten die Untersuchung des Gewerbeaufsichtsamtes und auch des betriebsmedizinischen Dienstes nicht ergeben, dass die Räumlichkeiten für eine Tätigkeit gesundheitsgefährdend und ungeeignet gewesen wären. Ferner habe das Gewerbeaufsichtsamt auch keine Verfügung nach § 22 ArbSchG erlassen, sodass höchstens unerhebliche Verstöße vorliegen könnten; diese würden jedoch nicht zu einer Arbeitsverweigerung berechtigen.

Auch die Arbeitsanweisung, sich per Email an- und abzumelden, entsprach dem billigen Ermessen. Sie könne Kontrollzwecken dienen und sei daher angemessen.
Das BAG gab dem LAG insbesondere folgende Hinweise in Bezug auf die weitere Prüfung und Sachverhaltsermittlung:

Das LAG habe festzustellen, ob tatsächlich ein sachlicher Grund für die Stationierung in dem Bürogebäude bestand. Die kürzeren Wegezeiten wären ein solcher Grund.

Die Konflikte am alten Arbeitsplatz seien aufzuklären, insbesondere, ob die Beklagte nicht schon wegen diesen die Versetzung habe vollziehen müssen.

Es sei festzustellen, ob ein erheblicher Verstoß gegen Arbeitsschutzvorschriften vorläge. Geringfüge oder kurzzeitige Verstöße mit geringem Schadenspotential rechtfertigen jedoch keine Arbeitsverweigerung.

Soweit sich insofern keine wesentliche Änderung des Sachverhalts ergäbe, wäre auch die außerordentliche Kündigung wegen der Arbeitsverweigerung der Klägerin rechtmäßig.

HINWEIS: Das BAG zieht hier den Rahmen des Direktionsrechtes weit. Interessant ist vor allem die Klarstellung, dass unwesentliche oder nur kurzfristige Verstöße gegen Arbeitssicherheitsvorschriften ohne nennenswertes Schadenspotenzial kein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers begründet. Auch der Hinweis, dass die Verletzung der Persönlichkeitsrechte der anderen Mitarbeiter eine Versetzung rechtfertigen kann, ist für vergleichbare Fälle eine wichtige Hilfestellung.

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