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Missachtung der Kleiderordnung kann zu einer Kündigung führen

von Dr. Bernd Kinzinger

Das arbeitgeberseitige Weisungsrecht ist in § 106 der Gewerbeordnung (GewO) ausdrücklich verankert. Danach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen. Das gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb, worunter beispielsweise die Erteilung eines Alkoholverbots am Arbeitsplatz oder Anordnungen hinsichtlich der Kleidung der Arbeitnehmer fallen. Zu Letzterem, also den Grenzen des Weisungsrechts in Bezug auf die Kleiderordnung, hat vor Kurzem das LAG Düsseldorf geurteilt.

 

Festlegung des Tragens einer roten Arbeitsschutzhose in der betrieblichen Kleiderordnung

Sachverhalt: Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung aufgrund Missachtung der Kleiderordnung. Im Oktober 2023 legte der Arbeitgeber eines 43-jährigen Handwerksmeisters, der in der Produktion eines Industriebetriebes arbeitete, in der betrieblichen Kleiderordnung fest, dass eine rote Arbeitsschutzhose zu tragen ist. Hintergrund dieser Regelung waren die Wahrung der Corporate Identity, die Geeignetheit als Signalfarbe zum Schutz der Arbeitnehmer sowie zur Erkennbarkeit in Abgrenzung zu externen Beschäftigten. Mit Inkrafttreten der neuen Kleiderordnung weigerte sich der Arbeitnehmer jedoch plötzlich und erschien mehrfach in schwarzer oder grauer Hose zur Arbeit. Gründe für dieses Verhalten waren nicht ersichtlich, der Arbeitnehmer trug die rote Hose bereits jahrelang zuvor beanstandungsfrei.

Der Arbeitgeber sprach zwei Abmahnungen und schließlich nach dem dritten Verstoß die ordentliche Kündigung aus. Gegen diese Kündigung wehrte sich der Arbeitnehmer und trug vor, dass er rote Hosen nicht möge und dem Arbeitgeber bezüglich der Hosenfarbe kein Direktionsrecht zustehe. Der beklagte Arbeitgeber argumentierte, die rote Arbeitshose sei persönliche Schutzausrüstung und rechtfertige die Kleiderordnung. Das ArbG Solingen hat die Klage abgewiesen. Der Arbeitnehmer wehrte sich weiterhin gegen die Kündigung und legte Berufung beim LAG Düsseldorf ein.

 

Landesarbeitsgericht: Kündigung wegen Verstoßes gegen die Kleiderordnung ist wirksam

Entscheidung: Die gegen die Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage blieb auch vor dem LAG Düsseldorf (Urteil vom  21.05.2024 – 3 SLa 224/24) erfolglos.

Die Vorgaben in der betrieblichen Kleiderordnung, eine rote Hose zu tragen, sind – so die Düsseldorfer Richter – vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt. Bei der Ausübung des Weisungsrechts muss sich der Arbeitgeber grundsätzlich in den Grenzen des billigen Ermessens halten. Hierfür sind sachliche Gründe des Arbeitgebers notwendig, denen keine berechtigten Interessen des Arbeitnehmers entgegenstehen dürfen. Im konkreten Fall konnte der Arbeitgeber mit der Wahrung der Corporate Identity und der Geeignetheit der roten Hose als Signalfarbe zum Schutz der Arbeitnehmer sachliche Gründe vortragen. Das bloße ästhetische Empfinden des Arbeitnehmers sind dagegen keine entgegenstehende – berechtigte – Interessen des Arbeitnehmers, zumal dieser die rote Hose jahrelang ohne Beanstandung getragen hatte und die Kleiderordnung nur die Sozialsphäre des Arbeitnehmers tangiert. Die Interessenabwägung fiel damit zu Lasten des Arbeitnehmers aus.

Nach zwei Abmahnungen und der beharrlichen Weigerung, der Weisung des Arbeitgebers nachzukommen, überwog trotz der langen beanstandungsfreien Beschäftigungsdauer (knapp 10 Jahre) das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers, sodass die Kündigung wirksam war.

 

Hinweis: Das Urteil des LAG Düsseldorf zeigt, dass auch vermeintlich „einfache“ Verstöße von Arbeitnehmern gegen Anordnungen des Arbeitgebers betreffend die Ordnung und des Verhaltens im Betrieb nach erfolgter Abmahnung zu einer wirksamen Kündigung führen können. Vorgaben hinsichtlich der Kleiderordnung sind in Arbeitsverhältnissen, zum Beispiel zum Zwecke des einheitlichen Auftretens gegenüber Dritten (z. B. Kunden) oder aber aus Sicherheitsaspekten durchaus üblich. In einigen Bereichen, etwa in der Medizin, im Handwerk oder in der Industrie ist die Zurverfügungstellung einer persönlichen Schutzausrichtung (PSA) für Arbeitgeber sogar verpflichtend. Sofern ein Betriebs- oder Personalrat im Unternehmen existiert, ist dieser im Vorfeld, etwa bei der Anordnung des Tragens einer einheitlichen Arbeitskleidung, aufgrund der Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bzw. § 80 Abs. 1 Nr. 18 BPersVG zu beteiligen.

Bei Verstößen gegen die Kleiderordnung sollten Arbeitgeber dies nicht tolerieren und jedenfalls ein klärendes Mitarbeitergespräch führen, wenn zunächst keine arbeitsrechtliche Sanktion in Form einer Abmahnung folgen soll. Alternativ hierzu bietet sich eine konsequente Abmahnpraxis im Unternehmen an. Wenn im Fall eines fortgesetzten Verstoßes gegen die Weisung eine Kündigung ausgesprochen werden soll, ist allerdings der Ausspruch (mindestens) einer Abmahnung im Vorfeld unumgänglich.

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