Wir sind eine überörtliche Fachkanzlei für Arbeitsrecht und bundesweit tätig. Wir beraten große Konzerne, mittelständische Unternehmen, soziale und öffentlich-rechtliche Organisationen sowie Führungskräfte. Als Spezialisten sind wir auch in der betrieblichen Altersversorgung und an Schnittstellen zum Gesellschafts-, Sozial- und Verwaltungsrecht tätig.
Josefine Müh
Die Parteien stritten um den Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz gegen den öffentlichen Arbeitgeber wegen Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs. Der Arbeitnehmer war beim Arbeitgeber auf Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrags beschäftigt.
Sachverhalt: Der Arbeitgeber schrieb intern hintereinander zwei Stellen aus. Die Ausschreibungen waren ausschließlich an Arbeitnehmer in einem unbefristeten Anstellungsverhältnis und an Beamte gerichtet. Der Arbeitnehmer bewarb sich auf beide Stellen. Beide Bewerbungen wurden vom Arbeitgeber mit dem Hinweis, aufgrund der Befristung seines Arbeitsverhältnisses erfülle der Arbeitnehmer nicht die in der Ausschreibung genannten Voraussetzungen, ab. Der Arbeitnehmer verlangte vom Arbeitgeber klageweise Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen Arbeitslosengeld bzw. Bruttomonatsvergütung für eine neu aufgenommene Stelle und dem in den Ausschreibungen genannten Bruttoentgelt.
Entscheidung: Sowohl die Vorinstanzen als auch das BAG (Urteil v. 01.12.2020 – 9 AZR 192/20) beurteilten die Klage auf Schadensersatz als unbegründet. Der Arbeitnehmer hätte gegen die Nichtberücksichtigung seiner Bewerbungen unter Verstoß gegen das in § 4 Abs. 2 S. 1 TzBfG geregelte Verbot, befristet beschäftigte Arbeitnehmer zu benachteiligen, einstweiligen Rechtsschutz bei den Arbeitsgerichten einlegen müssen.
Unterlässt er dies, greift § 839 Abs. 3 BGB, nach welchem die Ersatzpflicht nicht eintritt, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Grundsätzlich steht Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes bei der Besetzung einer Stelle des öffentlichen Dienstes ein verfassungsrechtlich garantierter Bewerbungsverfahrensanspruch zu. Ein übergangener Bewerber kann Schadensersatz wegen Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung verlangen, wenn der Arbeitgeber eine zu besetzende Stelle zu Unrecht an einen Konkurrenten vergibt, die bei ordnungsgemäßer Auswahl ihm hätte übertragen werden müssen. Allerdings besteht dieser Schadensersatzanspruch nur, wenn der Bewerber sich bemüht hat, den eingetretenen Schaden dadurch abzuwenden, dass er rechtliche Schritte im Vorfeld der absehbaren Auswahlentscheidung einleitet. Hierzu gehört auch die Obliegenheit, vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Ein Bewerber, der diese Möglichkeit nicht nutzt, handelt laut BAG fahrlässig.
Ausnahmsweise muss der Arbeitnehmer zur Schadensvermeidung nicht zunächst einstweiligen Rechtsschutz einlegen, wenn es der öffentliche Arbeitgeber seinerseits unterlässt, ihn über die Behandlung seiner Bewerbung und für den Fall, dass er ihn in den Bewerberkreis einbezieht, über den Ausgang des Bewerbungsverfahrens informiert und über die für seine Entscheidung wesentlichen Erwägungen in Kenntnis setzt. Das muss der Arbeitgeber so rechtzeitig tun, dass es dem Arbeitnehmer möglich ist, durch die Einlegung einstweiligen Rechtsschutzes die Besetzung der Stelle durch einen anderen Bewerber zu verhindern.
Hinweis: Die Entscheidung stellt klar, welche Obliegenheiten Bewerber und öffentlichen Arbeitgeber im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens treffen. Zum einen darf der Bewerber, der im Bewerbungsverfahren übergangen wurde mit rechtlichen Schritten nicht abwarten, bis der öffentliche Arbeitgeber eine endgültige Entscheidung getroffen hat. Er muss vielmehr aktiv durch die Einlegung einstwilligen Rechtschutzes seinen Bewerbungsverfahrensanspruch einfordern. Dem öffentlichen Arbeitgeber obliegt es auf der anderen Seite, ein transparentes Verfahren zu gewährlisten und den Bewerber rechtzeitig über die Behandlung seiner Bewerbung zu informieren. Ohne die Beachtung dieses Verfahrens kann sich der öffentliche Arbeitgeber nicht auf § 839 Abs. 3 BGB berufen und so einem Schadenersatzanspruch unrechtmäßig übergangener Stellenbewerber entgehen.
Die Entscheidung des BAG zeigt, wie wichtig die Einhaltung des formalisierten Bewerbungsverfahren in Bezug auf Stellen des öffentlichen Dienstes ist. Öffentliche Arbeitgeber sind daher gut beraten, wenn sie sich an die Vorgaben für die Ausschreibung im öffentlichen Dienst genau halten. Insbesondere also: