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Sonderkündigungsschutz von schwerbehinderten Menschen – Kündigungserklärungsfrist

von Dr. Jutta Cantauw

Sachverhalt: Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Die Arbeitgeberin hatte die Kündigung am 16. März 2016 ausgesprochen und von der Arbeitnehmerin am 28. März 2016 erfahren, dass diese einen Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Menschen gestellt hatte, der dann auch im Laufe des Verfahrens bewilligte wurde.

Die Beklagte beantragte daraufhin am 8. April 2016 – also nach Ablauf der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB – die Zustimmung zu einer fristlosen Kündigung bei dem zuständigen Integrationsamt.

Das Integrationsamt stimmte der Kündigung mit Bescheid vom 20. April 2016 zu. Die Beklagte erhielt diesen Bescheid am 22. April 2016 und kündigte dann wiederum fristlos am 26. April 2016. Die Vorinstanzen hatten die Kündigung für unwirksam erachtet, da die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden sei.

Entscheidung: Das BAG (Urteil vom 27.02.2020 – 2 AZR 390/19) hat die Entscheidung insoweit aufgehoben und zur weiteren Verhandlung und Sachaufklärung an das LAG zurückverwiesen.

Zur Begründung führte es aus, dass nach § 174 Abs. 5 SGB IX eine außerordentliche Kündigung erklärt werden kann, wenn sie unverzüglich nach Ausspruch der Zustimmung durch das Integrationsamt ausgesprochen wird. Von Unverzüglichkeit sei dann nicht mehr zu sprechen, wenn – ohne das Hinzutreten besonderer Umstände – eine Zeitspanne von mehr als eine Woche vergeht.

Nachdem dies vorliegend nicht der Fall war, stellte das BAG fest, dass die Kündigung damit nicht an der Versäumnis der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB scheitert. Die Arbeitsgerichte hätten den Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB nach einer Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung nicht noch einmal gesondert zu prüfen. Es sei vielmehr die Aufgabe des Integrationsamtes bzw. der Verwaltungsgerichte, diese Prüfung entsprechend § 174 SGB IX vorzunehmen.

Die Arbeitsgerichte seien an den zustimmenden Bescheid des Integrationsamtes gebunden und hätten daher nur festzustellen, ob die Kündigung unverzüglich nach dem Zugang des Bescheides ausgesprochen worden sei.

Hinweis: Das BAG hebt seine bisherige Rechtsprechung zu dieser Frage auf (Urteil vom 02.03.2006 – 2 AZR 46/05). Die Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB obliegt also in den Fällen der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen dem Integrationsamt (jetzt Inklusionsamt). Eine Überprüfung durch die Arbeitsgerichte findet dann nicht mehr statt. Erfährt der Arbeitgeber – wie hier – erst nach Ablauf der Frist von der Schwerbehinderung des Mitarbeiters, so kann er trotzdem noch die Zustimmung beantragen, da auch die Schwerbehinderung an sich eine neue Tatsache i. S. d. § 174 Abs. 2 SGB IX ist.

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