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Benachteiligung schwerbehinderter Bewerber – Einladung zum Vorstellungsgespräch bei interner Ausschreibung und Besetzung gleichartiger Stellen

von Dr. Jutta Cantauw

Entscheidung: Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 25.06.2020 – 8 AZR 75/19 ) hat entschieden, dass ein schwerbehinderter oder diesem gleichgestellter Bewerber nach § 82 Satz 2 StGB IX a. F. auch bei einer (ausschließlich) internen Stellenausschreibung zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden muss, wenn dieser nicht fachlich offensichtlich ungeeignet ist und sich mit der Frage befasst, ob bei der Besetzung mehrerer gleichartiger Stellen die Einladung zu einem Gespräch für eine der Stellen ausreicht.

Sachverhalt: Die Beklagte, eine öffentliche Arbeitgeberin, hatte intern zwei Stellen mit identischen Anforderungsprofilen aus-geschrieben, eine Stelle in Cottbus und eine in Berlin. Der schwerbehinderte, langjährig bei der Beklagten beschäftigte Kläger bewarb sich auf beide Stellen. Für beide Stellen führte dieselbe Direktion ein Auswahlverfahren nach identischen Kriterien durch. Eine Vertreterin der Direktion gehörte beiden Auswahlkommissionen an. Der Kläger wurde nur zu einem Vorstellungsgespräch betreffend die Stelle in Berlin eingeladen. Dabei wurde er da-rauf hingewiesen, dass die Ergebnisse des Gesprächs in das Besetzungsverfahren für die Stelle in Cottbus einfließen würden. Beide Bewerbungen blieben erfolglos.

Der Kläger verlangt die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, da ihn die Beklagte wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt habe. Dies stützte er darauf, dass er entgegen § 82 Satz 2 SGB IX a. F. nicht zu einem Vorstellungsgespräch für die Stelle in Cottbus eingeladen worden sei. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht sprach dem Kläger eine Entschädigung in Höhe eines auf der Stelle erzielbaren Bruttomonatsentgelts zu.

Die hiergegen eingelegte Revision der Beklagten hatte Erfolg. Eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung liege nicht vor. Zwar bestehe die Pflicht zur Einladung eines fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten schwerbehinderten oder diesem gleichgestellten Bewerbers nach § 82 Satz 2 SGB IX a. F. auch bei einer (ausschließlich) internen Stellenausschreibung. Die Beklagte sei dieser Verpflichtung allerdings dadurch ausreichend nachgekommen, dass die für die Besetzung beider Stellen zuständige Direktion den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch für eine der Stellen mit identischem Anforderungsprofil eingeladen hatte, das Auswahlverfahren nach identischen Kriterien durchgeführt wurde und eine Vertreterin der Direktion beiden Auswahlkommissionen angehörte.

Hinweis: Für öffentliche Arbeitgeber steht hiermit fest, dass ein fachlich nicht offensichtlich ungeeigneter, schwer-behinderter oder diesem gleichgestellter Bewerber auch bei rein internen Stellenausschreibungen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen ist. Dies war bisher umstritten. Die entsprechende Verpflichtung zur Einladung ist inzwischen in § 165 S. 3 SGB IX geregelt. Verletzt der öffentliche Arbeitgeber diese Pflicht, wird eine Diskriminierung wegen der Behinderung vermutet (§ 22 AGG). Die Vermutung kann widerlegt werden, wenn nachgewiesen wird, dass die Einladung zum Vorstellungsgespräch aus Gründen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung noch zur fachlichen Eignung des Bewerbers haben. Für den Fall, dass sich ein entsprechender Bewerber auf mehrere gleichartige Stellen bewirbt, zeigt die Entscheidung einen Weg auf, unnötigen Aufwand zu vermeiden.

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