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Unwirksamkeit eines Arbeitsvertrages bei Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten

von André Schiepel

Sachverhalt: Die Parteien streiten über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses sowie über die Abgeltung verschiedener Forderungen in dem Arbeitsverhältnis einschließlich der Urlaubsabgeltung.

Der Kläger hat bei der Beklagten als nebenberuflicher Wasserwart gearbeitet. Die Parteien hatten eine jährliche Arbeitszeit von 726 Stunden bzw. eine monatliche Arbeitszeit von 60,5 Stunden vereinbart. Der Kläger war zusätzlich verpflichtet, sich für Eil- und Notfälle bereitzuhalten, was zu weiteren Arbeitsstunden führte.

Im Hauptarbeitsverhältnis, das zeitlich vor der Nebentätigkeit abgeschlossen worden war, arbeitete der Kläger zunächst 35 Stunden wöchentlich, wobei diese Arbeitszeit dort sukzessive auf 40 Stunden erhöht wurde.

Insgesamt überschritt der Kläger regelmäßig die wöchentlichen Höchstarbeitszeiten von 48 Wochenstunden. Wegen diverser Unstimmigkeiten und mangelnder Qualifikationen des Klägers hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis gekündigt und sich auch gleichzeitig auf die Rechtsunwirksamkeit des Arbeitsverhältnisses wegen Verstoßes gegen die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes, insbesondere § 3 Arbeitszeitgesetz berufen. Der klagende Arbeitnehmer hatte das Verfahren erstinstanzlich verloren.

Entscheidung: Das LAG Nürnberg (Urteil vom 19.05.2020 – 7 Sa 11/19) bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz.

Insgesamt hielt es Folgendes fest: Die Vereinbarung mit dem Kläger überschritt die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. Der Einwand des Klägers, dass dies nicht der Fall sei, wenn man Feiertage und Urlaubstage in dem Arbeitsverhältnis mit der Arbeitszeit „Null“ anrechnen, widersprach das Landesarbeitsgericht mit dem Hinweis darauf, dass nach Art. 16b RL 2003/88 EG im Ausgleichszeitraum Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs bzw. Krankheitszeiten oder Feiertage neutral zu sein oder unberücksichtigt zu bleiben hätten. Dies sei nur dann der Fall, wenn man sie entweder gar nicht berücksichtigt oder mit der täglichen Regelarbeitszeit von acht Stunden.

Der Einwand des Klägers, dass er über die 48 Stunden hätte hinaus arbeiten dürfen, da die Tätigkeit als Wasser-wart Arbeiten an Feiertagen und Sonntagen grundsätzlich erlauben, ließ das Landesarbeitsgericht ebenfalls nicht gelten, sondern verwies darauf, dass nach § 11 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz für die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen die §§ 3 – 8 Arbeitszeitgesetz entsprechend gelten. Daraus folgerte das Landesarbeitsgericht, dass auch an Sonn- und Feiertagen grundsätzlich acht Stunden zu arbeiten sind und diese bei der Ausgleichspflicht nach § 3 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz zu berücksichtigen seien.

Der Vertrag sei auch nicht geltungserhaltend zu reduzieren und mit einer zulässigen Höchstarbeitszeit fortzuführen. Zwar sei beim Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz eine solche geltungserhaltende Reduktion des Arbeitsver-trages grundsätzlich denkbar, dies setzt jedoch voraus, dass dem Parteiwillen zu entnehmen sei, dass sie das Arbeitsverhältnis zu den geänderten Bedingungen auch fortgeführt hätten.

Dies sei vorliegend nicht der Fall. Gerade die Tätigkeit als Wasserwart und wie die Erreichbarkeit des Klägers auch für Notfälle spreche dafür, dass die Parteien eine anderweitige Regelung nicht abgeschlossen hätten. Dies führe dann dazu, dass nach § 134 BGB die Gesamtnichtigkeit des Vertrages anzunehmen sei. Es sei auch der zeitlich später abgeschlossene Vertrag nach dem sogenannten Prioritätsprinzip als unwirksam anzusehen.
Nachdem das Landesarbeitsgericht die Gesamtnichtigkeit des Vertrages festgestellt hat, wickelte sie das Arbeitsverhältnis nach den Regelungen des gestörten Arbeitsverhältnisses ab.

Offen lässt das Landesarbeitsgericht, ob dem Kläger ein Urlaubsabgeltungsanspruch im gestörten Arbeitsverhältnis entstehen konnte. Es weist aber darauf hin, dass das Entstehen des Urlaubsanspruches eigentlich ein wirksames Arbeitsverhältnis voraussetzt.

Hinweis: Gerade bei Nebentätigkeiten ist nach dieser Entscheidung sehr genau zu kontrollieren, ob die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden. Das vom Landesarbeitsgericht Nürnberg postulierte Prioritätsprinzip könnte in einem vergleichbaren Fall auch dazu führen, dass ein später abgeschlossenes Hauptarbeitsverhältnis nichtig wird. Will man zumindest diese Rechtsfolgen vermeiden, so würde es sich empfehlen, in die Arbeitsverträge Hinweise aufzunehmen, dass die Vertragsparteien auf jeden Fall ein arbeitszeitgesetzlich zulässiges Arbeitsverhältnis fortführen wollen.

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