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von Katharina Delling-Pfab
Sachverhalt: Die Parteien streiten über die Abgeltung von Urlaub des verstorbenen Ehemanns der Klägerin.
Das Arbeitsverhältnis des Ehemanns der Klägerin mit der Beklagten wurde durch dessen Tod beendet. Auf das Arbeitsverhältnis fand der TVöD Anwendung. Die Klägerin verlangte als Alleinerbin die Abgeltung des Resturlaubs von 23 Urlaubstagen nach § 26 TVöD und zwei Zusatzurlaubstagen nach § 125 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGB IX aF. Die Klägerin bezifferte die Urlaubsabgeltung auf 5.857,75 Euro.
Entscheidung: Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Die hiergegen eingelegte Revision des Arbeitgebers hatte keinen Erfolg.
Das BAG (Urteil vom 22.01.2019 – 9 AZR 45/16) entschied, dass die Klägerin nach § 1922 Abs. 1 BGB i.V.m. § 7 Abs. 4 BUrlG Anspruch auf Abgeltung des nicht gewährten Urlaubs i.H.v. 5.957,75 Euro hat. Die §§ 1, 7 Abs. 4 BUrlG seien europarechtskonform auszulegen. Bei dem Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG handele es sich nicht um einen höchstpersönlichen Anspruch, der mit dem Tod des Arbeitnehmers untergehe. Vielmehr sei der finanzielle Aspekt des Anspruchs auf Erholungsurlaub im Bundesurlaubsgesetz unabdingbar angelegt. Somit gehe der Anspruch auf Vergütung des Urlaubs im Wege der Erbfolge auch auf den Rechtsnachfolger des Arbeitnehmers über.
Dies gelte nicht nur für den gesetzlichen Urlaubsanspruch, sondern auch für den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen sowie für den tarifvertraglichen Mehrurlaub. Der Zusatzurlaubsanspruch nach § 125 Abs. 1 S. 1 SGB IX a.F. teile das rechtliche Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs. Hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs hätten die Tarifvertragsparteien kein vom Bundesurlaubsgesetz abweichendes Verständnis vom Urlaubsbegriff definiert. Es lasse sich dem TVöD nicht entnehmen, dass der Arbeitnehmer bzw. die Erben das Verfallrisiko für den tariflichen Mehrurlaub bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers tragen sollen. Daher sei auch insoweit von der Vererblichkeit auszugehen.
Hinweis: Bereits seit der Schultz-Hoff-Entscheidung im Jahr 2009 ging das BAG von der Vererbbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs für den Fall aus, dass der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verstirbt. Der im Zeitpunkt des Todes bereits entstandene Urlaubsabgeltungsanspruch ist vererbbar. Hingegen war das BAG bisher der Auffassung, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch aus § 7 Abs. 4 BUrlG bereits nicht entsteht (und damit auch nicht vererbt werden kann), wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Mit dieser Entscheidung ändert das BAG nun auch diese Rechtsprechung. Überraschend ist dies nicht, da der EuGH schon in der Sache Bollacke im Jahr 2014 entschieden hatte, dass das Unionsrecht einer Regelung entgegenstehe, nach der der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers mit dessen Tod ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs untergehe. Das BAG hielt die Rechtslage aber dennoch für unklar und legte dem EuGH im Oktober 2016 die Frage vor, ob Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie oder Art. 31 Abs. 2 GRCh dem Erben eines während des Arbeitsverhältnisses verstorbenen Arbeitnehmers einen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich für den dem Arbeitnehmer vor seinem Tod zustehenden Mindestjahresurlaub einräumt, was nach § 7 Abs. 4 BUrlG in Verbindung mit § 1922 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist. Der EuGH bestätigte im November 2018 seine Rechtsauffassung. Der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses spiele für den in der Arbeitszeitrichtlinie vorgesehenen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung keine Rolle.