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von Katharina Delling-Pfab
Das BAG (Bundesarbeitsgericht) hat entschieden, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren kann, dass die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst.
Sachverhalt: Die Parteien stritten über restliche Vergütung aus einem beendeten Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fristlos, hilfsweise ordentlich unter Einhaltung der Kündigungsfrist. In dem Kündigungsschreiben teilte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit, dass er für den Fall der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung, die bis zum Kündigungsschutzzeitpunkt nicht genommenen Urlaubtage abgilt, für den Fall aber, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist, stellte er den Arbeitnehmer direkt im Anschluss an den Kündigungszugang für den noch offenen Resturlaub frei. Der Arbeitgeber zahlte die Urlaubsabgeltung auch an den Arbeitnehmer aus. Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung geendet hat. In den daraufhin neu erstellten Abrechnungen wurde die bereits an den Arbeitnehmer ausgezahlte Urlaubsabgeltung als bereits geleistetes Urlaubsentgelt behandelt.
Mit der Klage machte der Kläger Annahmeverzugslohn geltend. Der Kläger wehrte sich dagegen, dass der Beklagte die gezahlte Urlaubsabgeltung als Urlaubsentgelt behandelt. Die vorsorgliche Freistellung für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung sei nicht zulässig. Der Urlaub sei nicht wirksam erteilt worden. Der Kläger war daher der Auffassung, dass er sowohl einen Anspruch auf Vergütung für den Zeitraum, in dem er von dem Arbeitgeber aufgrund der vermeintlichen Freistellung nicht zur Arbeit herangezogen wurde als auch einen Anspruch auf Abgeltung des Urlaubsanspruchs habe, da er diesen in dem Arbeitsverhältnis nicht mehr nehmen konnte.
Entscheidung: Das Gericht (BAG 25.08.2020 9 AZR 612/19) entschied zugunsten des Beklagten. Der Beklagte könne dem Kläger Urlaub auch vorsorglich für den Fall gewähren, dass eine von ihm erklärte ordentliche oder außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. Voraussetzung für eine wirksame Urlaubserteilung sei, dass der Arbeitgeber eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck bringe, dass der Arbeitnehmer zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaubes endgültig von der Arbeitspflicht befreit werde und der Arbeitgeber das Urlaubsentgelt entweder vor Antritt des Urlaubes zahlt oder dessen Zahlung vorbehaltlos zusagt. In dem zugrundeliegenden Fall seien beide Voraussetzungen erfüllt. Auch stehe es der Urlaubserfüllung nicht entgegen, dass der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses wegen eines laufenden Kündigungsschutzverfahrens ungewiss sei. Die Realisierung des Urlaubszwecks verlange nicht, dass der Arbeitnehmer bei Urlaubsantritt das Bestehen seiner Arbeitspflicht kenne, sondern, dass er durch die Urlaubserteilung die Gewissheit habe, dass er während eines bestimmte Zeitraums nicht zur Arbeit herangezogen werde. Weiterhin stünden die nach Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung für den Arbeitnehmer bestehenden sozialversicherungsrechtlichen Handlungsobliegenheiten (Arbeitssuchendmeldung etc.) der Erfüllungswirkung nicht entgegen, da diese dem persönlichen Lebensbereich des Arbeitnehmers zuzuordnen seien.
Hinweis: Die Rechtsprechung des BAG ermöglicht es, Arbeitgebern im Falle einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung Kosten zu reduzieren. Obsiegt ein Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess gegen die außerordentliche Kündigung, müsste der Arbeitgeber zum einen den aufgelaufenen Arbeitslohn als Annahmeverzugslohn und zum anderen den Urlaub durch Freistellung oder Abgeltung an den Arbeitnehmer gewähren. Stellt er den Arbeitnehmer hingegen frei, schuldet er nur den Annahmeverzugslohn. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Freistellungserklärung die genannten Voraussetzungen erfüllt, so dass einer solchen besondere Beachtung geschenkt werden sollte.