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Anforderungen an die Zustellung von Einwurfeinschreiben

Wie Arbeitgeber agieren sollten

 

Frankfurt Bild 1

Die Übermittlung arbeitgeberseitiger Erklärungen könnte heutzutage wohl weitgehend digital erfolgen. Aufgrund der immer noch verbreiteten gesetzgeberisch vorgesehenen Schriftform („wet ink“), die es erfordert, dass ein Dokument mit Originalunterschrift versehen dem Empfänger zugeht, muss oftmals allerdings noch auf den klassischen postalischen Übermittlungsweg zurückgegriffen werden. Hierfür stehen dem Arbeitgeber verschiedene Zustellungsvarianten zur Verfügung, wobei gerne auf das Einwurfeinschreiben zurückgegriffen wird. Es ist als preisgünstige Zustellungsart beliebt.

Bemerkenswert ist daher, dass auch mehr als 20 Jahre nach Einführung des Einwurfeinschreibens die Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit der Arbeitgeber sich im gerichtlichen Verfahren auf den Zugang des Einwurfeinschreibens beim Mitarbeitenden mittels (Anscheins-)Beweis berufen kann, nicht abschließend geklärt zu sein scheinen. Zuletzt hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg (Az. 15 Sa 20/23) im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens die notwendigen Anforderungen für das Einwurfeinschreiben weiter konkretisiert.

 

Kommunikation mit unterschiedlich hohem Gefahrenpotential für den Arbeitgeber

 

Für einen ordnungsgemäßen Zugang der Arbeitgebererklärung ist es rechtlich erforderlich, dass diese in den Machtbereich des Mitarbeitenden gelangt, so dass der Mitarbeitende unter normalen Umständen von dessen Inhalt Kenntnis nehmen kann. Dies ist in der Regel bei der persönlichen Übergabe eines Schriftstücks an den Mitarbeitenden bzw. beim Einlegen in dessen Hausbriefkasten zu den gewöhnlichen Zustellzeiten der Post an dieser Örtlichkeit gegeben.

Insbesondere bei fristgebundenen schriftlichen Erklärungen, wie einer Kündigung oder bei der Ablehnung eines Teilzeitantrags (im laufenden Arbeitsverhältnis auf Basis von § 8 TzBfG bzw. während der Elternzeit nach § 15 BEEG) ist der fristgerechte Zugang des Schreibens beim Mitarbeitenden entscheidend. Da der Arbeitgeber den (rechtzeitigen) Zugang seiner arbeitgeberseitigen Erklärung beim Mitarbeitenden in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren darlegen und im Zweifelsfall auch beweisen können muss, sollte er sich unbedingt über die Auswahl des Kommunikationswegs Gedanken machen.

Von der Übersendung mittels einfachen Briefs ist abzuraten, da diese eine Beweisführung unmöglich macht. Es gibt keine direkte Empfangsbestätigung, sodass der Arbeitgeber den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs beim Mitarbeitenden nicht nachweisen kann.

Das sog. Übergabeeinschreiben bietet den Vorteil, dass der Absender einen Nachweis über die Zustellung an den Empfänger erhält. Denn dieser muss die Sendung persönlich entgegennehmen und den Empfang durch seine Unterschrift bestätigen. Wenn der Empfänger allerdings nicht angetroffen wird, hinterlässt der Zusteller eine Benachrichtigungskarte und das Einschreiben kann in einer Postfiliale abgeholt werden. Das Problem dabei ist: Der Empfänger ist nicht zur Abholung verpflichtet. Bei fristgebundenen Erklärungen, insbesondere bei einer Kündigungserklärung, ist die Verwendung eines Übergabeeinschreibens daher ein absolutes „No-Go“, da die fristgerechte Zustellung der arbeitgeberseitigen Kündigungserklärung vereitelt wird, wenn der Mitarbeitende nicht zu Hause ist bzw. die Annahme verweigert und das Einschreiben erst später oder im worst case gar nicht in der Postfiliale abholt.

Oftmals verbleibt daher nur die Wahl zwischen der Übermittlung per Kurier oder mittels Einwurfeinschreiben. Die Zustellung mit einem Kurier bzw. Boten ist bei fristgebundenen Erklärungen – abgesehen von der persönlichen Übergabe im Betrieb – die rechtssicherste Variante. Als Bote kann hier ein anderer Mitarbeitender des Arbeitgebers (u.U. mit zusätzlicher Botenvollmacht) agieren oder ein spezialisierter Dienstleister engagiert werden. Der Bote übergibt das Schriftstück persönlich dem Empfänger an dessen Wohnanschrift bzw. wirft dieses in dessen Briefkasten ein. Der Vorteil der Zustellung mittels Boten ist die Dokumentation der Übergabe / des Einwurfs in den Hausbriefkasten durch den Boten, die vor Gericht als rechtsgültiger Nachweis verwendet werden kann. Im Zweifelsfall kann hier der Bote darüber hinaus im gerichtlichen Verfahren als Zeuge benannt werden. Insbesondere bei der Verwendung eines spezialisierten Dienstleisters geht diese Übermittlung aber mit höheren Kosten im Vergleich zu anderen Zustellmethoden einher. Daher greifen Arbeitgeber gerne auf die Übermittlung mittels Einwurfeinschreiben zurück.

 

Hohe Hürde beim Einwurfeinschreiben im arbeitsgerichtlichen Verfahren

 

Die Anforderungen an die Zustellung mittels Einwurfeinschreiben werfen weiterhin rechtliche Fragen auf. Die Konkretisierungen der Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit bei der Übermittlung mittels Einwurfeinschreiben der (Anscheins-)Beweis im arbeitsgerichtlichen Verfahren geführt werden kann, erfolgten durch die Landesarbeitsgerichte. Eine finale Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts steht allerdings noch aus.

Das Verfahren beim Einwurfeinschreiben läuft grundsätzlich wie folgt ab: Bei der Einlieferung des Schreibens bei der Deutschen Post AG wird die Sendung mit einem Abziehetikett versehen, welches zur Identifizierung der Sendung dient. Der Versender erhält zudem einen Einlieferungsbeleg, auf dem die individuelle Sendungsnummer sowie das Einlieferungsdatum vermerkt sind. Mit diesen Daten kann der Versender die Sendungsverfolgung des Schreibens vornehmen. Vor dem Einwurf des Schreibens in den Briefkasten des Empfängers zieht der Zusteller das Abziehetikett wieder ab und klebt es auf einen vorgefertigten Auslieferungsbeleg. Die Zustellung wird auf diesem mit Datum und Unterschrift bzw. Kürzel des Zustellers quittiert. Der Auslieferungsbeleg wird dann durch die Deutsche Post AG gescannt und für 15 Monate archiviert. Im Anschluss an den Scanvorgang kann der Versender mit seiner Sendungsnummer digital eine Zustellbestätigung abrufen und das Original des Auslieferungsbelegs wird vernichtet. Bei der Deutschen Post AG können diese Auslieferungsbelege allerdings auf Wunsch und gegen Gebühr bis zu 15 Monate nach der Zustellung abgerufen werden.

Das LAG Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 12.12.2023 (15 Sa 20/23) entschieden, dass der Zugang einer Kündigung durch Einwurfeinschreiben nicht allein durch den Einlieferungsbeleg und den digitalen Sendestatus der Deutschen Post nachgewiesen werden kann. Vielmehr ist zusätzlich ein Auslieferungsbeleg erforderlich. Im konkreten Fall hatte eine Augenarztpraxis einer Mitarbeiterin per Einwurfeinschreiben gekündigt und den Zugang der Kündigung mittels Einlieferungsbeleg und digitaler Zustellbestätigung via Sendungsverfolgung zu belegen versucht. Das LAG Baden-Württemberg befand, dass dies nicht ausreiche, da der Sendestatus nur ein maschinelles Verfahren ohne menschliche Bestätigung darstelle und somit keinen ausreichenden Beweis für den Zugang biete. Stattdessen müsse der Auslieferungsbeleg vorgelegt werden, aus dem hervorgeht, wer die Zustellung durchgeführt hat und wann sie erfolgte. Dieser Beleg könne dann auch als Grundlage für eine Zeugenaussage dienen. Könne keine Reproduktion des Auslieferungsbelegs von der Deutschen Post AG mehr zur Verfügung gestellt werden, falle dies in die Risikosphäre des Absenders.

 

Wie also vorgehen?

 

Trotz der vielseitigen Möglichkeiten arbeitgeberseitige Erklärungen an die Mitarbeitenden zu übermitteln, ist der Arbeitgeber gut beraten, wenn dieser, das potenzielle arbeitsgerichtliche Verfahren im Hinterkopf, einen Kommunikationsweg wählt, der den (fristgerechten) Zugang seiner Erklärung beim Mitarbeitenden sicherstellt und diesen im Zweifelsfall im gerichtlichen Verfahren auch beweisbar macht. Entscheidet sich der Arbeitgeber für das Einwurfeinschreiben, muss dieser neben dem Einlieferungsbeleg die Sendungsverfolgung samt Zustellung abspeichern und sich spätestens beim ersten Bestreiten des Mitarbeitenden im arbeitsgerichtlichen Verfahren von der Deutschen Post AG die Reproduktion des Auslieferungsbelegs übermitteln lassen (Achtung: Hierfür hat man maximal 15 Monate Zeit).

Wichtig: Wer bei nicht schriftformgebundenen Erklärungen auf eine E-Mail zurückgreift, macht sich das Leben nicht unbedingt leichter. Der Zugang der E-Mail lässt sich im Bestreitensfall nämlich nur rechtssicher beweisen, wenn der Arbeitgeber eine (stets freiwillige!) Lesebestätigung des Mitarbeitenden vorlegen kann. Das Berufen auf den E-Mail-Postausgang und den Status „gesendet“ alleine genügt nicht (LAG Köln v. 11.01.2021 – 4 Sa 315/21).

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