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Arbeitgeber haftet für die Richtigkeit und Vollständigkeit (freiwilliger) Auskünfte

von Dr. Jutta Cantauw

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen unterbliebener Hinweise auf mögliche Gesetzesänderungen im Zusammenhang mit dem Angebot einer betrieblichen Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung.

Sachverhalt: Die beklagte Arbeitgeberin hatte vor dem Hintergrund des Anfang 2003 in Kraft getretenen Tarifvertrags zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer/innen im kommunalen öffentlichen Dienst (TV-EUmw/VKA) mit einer Pensionskasse einen Rahmenvertrag zur betrieblichen Altersversorgung abgeschlossen. Im April 2003 nahm der Kläger an einer Betriebsversammlung teil, auf der ein Fachberater der örtlichen Sparkasse die Arbeitnehmer der Beklagten über Chancen und Möglichkeiten der Entgeltumwandlung als Vorsorge über die Pensionskasse informierte. Zu Beitragspflichten zur Sozialversicherung im Zusammenhang mit der Entgeltumwandlung äußerte sich der Berater nicht. Im September 2003 schloss der Kläger eine Entgeltumwandlungsvereinbarung mit Kapital-wahlrecht ab. 2015 ließ er sich seine Pensionskassenrente 2015 als Einmalkapitalbetrag auszahlen. Für diesen musste der Kläger aufgrund einer Gesetzesänderung im Jahr 2003 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichten.

Der Kläger verklagte die Arbeitgeberin auf Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge im Wege des Schadensersatzes. Seine Arbeitgeberin habe ihn vor Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung über das laufende Ge-setzgebungsverfahren zur Einführung einer Beitragspflicht auch für Einmalkapitalleistungen informieren müssen. Er hätte dann eine andere Form der Altersvorsorge gewählt. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr statt.

Entscheidung: Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 18.02.2020, 3 AZR 206/18) hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf. Es könne offenbleiben, ob den Arbeitgeber nach – überobligatorisch – erteilten richtigen Informationen über die betriebliche Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung überhaupt weitere Hinweispflichten auf bis zum Abschluss einer Entgeltumwandlungsvereinbarung erfolgende Gesetzesänderungen oder entsprechende Gesetzesvorhaben träfen, die zu Lasten der Arbeitnehmer gehen. Jedenfalls setze eine solche Verpflichtung voraus, dass der Arbeitnehmer konkret über diejenigen Sachverhalte informiert worden sei, die durch die Gesetzesänderung zu seinen Lasten geändert wurden. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Auf der Betriebsversammlung sei über Beitragspflichten zur Sozialversicherung nicht unterrichtet worden. Daher konnte auch offenbleiben, ob der beklagten Arbeitgeberin das Verhalten des Fachberaters der Sparkasse zuzurechnen sei.

Hinweis: Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts fiel zwar zu Gunsten der beklagten Arbeitgeberin aus. Das Bundesarbeitsarbeitsgericht stellt noch einmal klar, dass den Arbeitgeber keine allgemeine Pflicht trifft, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen. Der Arbeitgeber hat nicht auf jedes Risiko hinzuweisen. Dennoch mahnt das Urteil zur Vorsicht. Erteilt der Arbeitgeber Auskünfte, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein – unabhängig davon, ob eine Auskunftsverpflichtung des Arbeitgebers überhaupt bestand. Unklar ist, ob und unter welchen Voraussetzungen sogar eine Pflicht zur Nachunterrichtung bestehen kann, wenn sich die Sach- und/oder Rechtslage später ändert. Für falsche, unklare und/oder unvollständige Auskünfte haftet der Arbeitgeber, wenn den Arbeitnehmern hierdurch Schäden entstehen. Im Zweifel sollten die Arbeitnehmer daher aufgefordert werden, sich bei den zuständigen Stellen über etwaige Risiken selbst zu informieren. Offengelassen hat das Bundesarbeitsgericht, ob bzw. ggf. unter welchen Voraussetzungen dem Arbeitgeber das Verhalten des Fachberaters der Sparkasse zuzurechnen war, er für dessen Auskünfte also haftet. Solange diese Frage nicht geklärt ist, ist bei der Einschaltung Externer durch den Arbeitgeber zur Information der Arbeitnehmer größte Vorsicht geboten.

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