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von Dr. Jutta Cantauw
Der im Juli 2014 in das Gesetz eingefügte § 41 Satz 3 SGB VI gestattet es den Arbeitsvertragsparteien ein Arbeitsverhältnis, das mit Erreichen der Regelaltersgrenze endet, durch eine vor Erreichen der Regelaltersgrenze geschlossene Vereinbarung über diesen Zeitpunkt hinaus befristet zu verlängern („Hinausschiebensvereinbarung“). Die Wirksamkeit dieser Regelung war seitdem heftig umstritten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nunmehr bestätigt, dass § 41 Satz 3 SGB IV wirksam ist.
SACHVERHALT: Dem BAG lag folgender Fall zur Entscheidung vor: Geklagt hatte ein Lehrer, dessen Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land gemäß der im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen tariflichen Regelung (§ 44 Nr. 4 TV-L) wegen Erreichens der Regelaltersgrenze am 31.01.2015 endete. Am 20.01.2015 hatten die Parteien vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis erst zum 31.07.2015 enden sollte. Am 04.03.2015 hatten die Parteien zusätzlich vereinbart, dass die Arbeitszeit ab dem 01.02.2015 von 23 auf 25,5 Wochenstunden erhöht werden sollte. Der Lehrer klagte später auf Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis nicht am 31.07.2015 geendet hat.
ENTSCHEIDUNG: Die Klage war in allen Instanzen erfolglos – auch vor dem BAG (Urteil v. 19.12.2018 – 7 AZR 70/17). Die Befristung sei nach § 41 Satz 3 SGB VI gerechtfertigt. § 41 Satz 3 SGB VI sei verfassungsgemäß und nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EUGH) vom 28.02.2018 (C 46/17) mit EU-Recht vereinbar. Das BAG ließ offen, ob eine wirksame Befristung bzw. Hinausschiebensvereinbarung voraussetzt, dass allein der Beendigungszeitpunkt geändert wird – unter Beibehaltung aller übrigen Vertragsbedingungen. Im vom BAG zu entscheidenden Fall war in der Vereinbarung vom 20.01.2015 nur der Beendigungszeitpunkt hinausgeschoben worden. Die Vereinbarung vom 04.03.2015 über die Arbeitszeiterhöhung wurde nach Auffassung des BAG nicht im Zusammenhang mit der Vereinbarung über die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses getroffen und steht schon aus diesem Grund der Wirksamkeit der Hinausschiebensvereinbarung nicht entgegen.
HINWEIS: Die Entscheidung – die bisher lediglich in Form einer Pressemitteilung vorliegt – schafft Rechtssicherheit. § 41 Satz 3 SGB IV ist nunmehr eine einigermaßen verlässliche Grundlage für befristete Verlängerungen von Arbeitsverhältnissen über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus. Zu beachten ist, dass die Hinausschiebensvereinbarung vor Erreichen der Regelaltersgrenze getroffen werden muss. Bis auf Weiteres sollte in entsprechenden Vereinbarungen allein den Beendigungszeitpunkt geändert werden, da weiterhin ungeklärt ist, ob weitere Änderungen, die im Zusammenhang mit der Hinausschiebensvereinbarung vorgenommen werden, zur Unwirksamkeit der Befristung führen. Eine Grenze für solche Hinausschiebensvereinbarungen bildet der Rechtsmissbrauch. Ein Rechtsmissbrauch kann z. B. vorliegen, wenn der Beendigungszeitpunkt immer wieder nur für sehr kurze Zeit hinausgeschoben wird.