Es kommt vor, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die Ziele, an deren Erreichen eine Bonuszahlung geknüpft ist, nicht einigen. Arbeitsverträge enthalten deshalb oft eine sog. Ersetzungsklausel: Kommt eine Zielvereinbarung nicht zustande, darf der Arbeitgeber die Ziele einseitig vorgeben. Das BAG hat solchen Ersetzungsklauseln zumindest in vorformulierten Arbeitsverträgen neuerdings eine Absage erteilt, weil sie den Arbeitnehmer aus seiner Sicht unangemessen benachteiligen. Arbeitnehmern erweist das BAG damit jedoch einen Bärendienst.
Zielvereinbarung und Zielvorgabe
Je nachdem, was vertraglich geregelt ist, werden Bonusziele entweder von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich in einer Zielvereinbarung oder einseitig vom Arbeitgeber durch eine Zielvorgabe bestimmt. Die Zielvereinbarung verspricht gegenüber der Zielvorgabe in der Regel etwas mehr Commitment und Motivation des Arbeitnehmers, weil er seine Ziele mitbestimmen kann. Der Weg zur Zielvereinbarung kann allerdings ausgesprochen mühsam sein und erhebliche Kapazitäten beim Arbeitgeber binden. Vor allem aber setzt die Zielvereinbarung zwingend voraus, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer tatsächlich auf Ziele einigen. Gelingt dies nicht, geht die Zielvergütung ins Leere. Gestritten wird dann darüber, wer schuld daran ist, dass die Zielvereinbarung nicht zustande gekommen ist. Am Ende des Streits steht dann meist ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den entgangenen Bonus (bei fiktiver Zugrundelegung einer 100%igen Zielerreichung), weil der Arbeitgeber seine vertragliche Pflicht zur Verhandlung über die Zielvereinbarung nicht (ausreichend) nachgekommen ist.
Unwirksame Ersetzungsklausel
Um ein solches Szenario zu vermeiden, ohne dabei die Vorteile der Zielvereinbarung von vornherein über Bord zu werfen, enthalten arbeitsvertragliche Bonusregelungen bislang häufig eine Kombination aus Zielvereinbarung und Zielvorgabe: Wenn die vorrangig zu schließende Zielvereinbarung scheitert, soll der Arbeitgeber die Möglichkeit haben, die Zielvereinbarung durch eine einseitige Zielvorgabe zu ersetzen. So hatte es im entschiedenen Fall auch die beklagte Arbeitgeberin im Arbeitsvertrag mit dem klagenden Arbeitnehmer geregelt: „Sollten die drei Kriterien [=Ziele] nicht zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart werden, werden diese seitens der Gesellschaft nach billigem Ermessen vorgegeben.“ Nach der Entscheidung des BAG vom 03.07.2024 sind solche Ersetzungsklauseln jedoch unwirksam, weil sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB): Um seine vertragliche Pflicht, mit dem Arbeitnehmer für eine Zielperiode Ziele zu vereinbaren, zu erfüllen, müsse der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung führen und es diesem ermöglichen, auf die Festlegung der Ziele Einfluss zu nehmen. Die Ersetzungsklausel erlaube es dem Arbeitgeber jedoch, die Möglichkeit des Arbeitnehmers zur Einflussnahme jederzeit zu unterlaufen. Er könne die Verhandlungen zur Zielvereinbarung jederzeit grundlos verweigern oder abbrechen, um die erforderliche Konkretisierung und Gewichtung der Ziele einseitig vorzunehmen. Außerdem sei eine solche Klausel geeignet, den Arbeitnehmer vom vorrangig vereinbarten freien Aushandeln der Ziele abzuhalten.
Konsequenzen für künftige Verträge und bestehende Zielvereinbarungsklauseln
Vertragliche Regelungen, die dem Arbeitgeber von vornherein das Recht einräumen, die Ziele nach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) einseitig vorzugeben, sind nach der Entscheidung des BAG weiterhin zulässig. Die Konsequenz aus der Entscheidung des BAG ist deshalb klar: Gut beratene Arbeitgeber werden zukünftig nicht mehr auf Zielvereinbarungen setzen, sondern allein auf einseitige Zielvorgaben, zumal diese nicht ausschließen, mit dem Arbeitnehmer über die Bestimmung der Ziele im Vorfeld zu sprechen. Dass damit dem Arbeitnehmer erst recht die rechtliche Möglichkeit genommen wird, auf die Ziele Einfluss zu nehmen, nimmt das BAG in Kauf. Das gilt umso mehr, als das BAG sehr hohe Hürden für den Arbeitgeber aufstellt, um die Pflicht zur Verhandlung über eine Zielvereinbarung zu erfüllen. Denn nach dem BAG muss der Arbeitgeber dazu den Kerninhalt der von ihm vorgeschlagenen Zielvereinbarung ernsthaft zur Disposition des Arbeitnehmers stellen und ihm Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumen. Kommt keine Zielvereinbarung zustande, weil der Arbeitgeber diese Pflicht verletzt hat, hat der Arbeitnehmer regelmäßig einen Anspruch auf Schadensersatz. Auch bei der Zielvorgabe darf der Arbeitgeber freilich nicht nach Belieben bestimmen: Hält die Vorgabe der Ziele einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle nicht stand, kann sie durch das Gericht ersetzt werden.
Für bestehende Zielvereinbarungsklauseln folgt aus der Entscheidung, dass besonderes Augenmerk auf den Zielvereinbarungsprozess gelegt werden muss. Verhandlungen sind rechtzeitig (möglichst vor Beginn der Zielperiode) anzustoßen und es sind realistische (also erreichbare) Ziele vorzuschlagen, die ernsthaft zur Disposition des Arbeitnehmers stehen müssen. Auf eine genaue Dokumentation des Verhandlungsvorgangs ist zu achten, da daraus Argumente für ein Mitverschulden des Arbeitnehmers beim Scheitern abgeleitet werden können.