Die Zeiten, in denen der Arbeiter am Ende der Woche Bargeld in einer Lohntüte bekam, sind längst Geschichte. Nun aber hatte sich das BAG mit einer Frage aus diesem Kontext zu befassen. Es war zu entscheiden, ob der Arbeitgeber heutzutage noch verpflichtet ist, jedem Arbeitnehmer eine Gehaltsabrechnung auf Papier ausgedruckt zu übersenden.
Streit über den Zugang im Mitarbeiterpostfach: Nur mit Zustimmung des Mitarbeiters?
Der Arbeitgeber, ein Einzelhandelsunternehmen, hatte die Gehaltsabrechnungen in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach als Datei eingestellt. Die Arbeitnehmerin war der Auffassung, sie müsse die Abrechnungen so wie früher (zuletzt 2022) in Papierform zugesandt erhalten.
Das Landesarbeitsgericht urteilte, dass es sich bei der Gehaltsabrechnung um eine zugangsbedürftige Erklärung handle. Die Arbeitnehmerin habe der Bereitstellung in einem elektronischen Postfach nicht zugestimmt. Daher habe der Arbeitgeber durch diese Bereitstellung die ihm obliegende Pflicht zur Gehaltsabrechnung nicht erfüllt.
BAG: Digitale Bereitstellung der Lohnabrechnung reicht aus
Das BAG entschied, dass die Bereitstellung der Gehaltsabrechnung auf einer Onlineplattform grundsätzlich ausreichend ist. Die Abrechnung müsse nicht zugesandt werden, sondern grundsätzlich nur bereitgestellt werden. Für den Zugang beim Arbeitnehmer sei der Arbeitgeber nicht verantwortlich. Er müsse nur für die Bereitstellung sorgen, müsse dabei aber den berechtigten Interessen von Arbeitnehmern, die privat keinen Online-Zugriff haben, Rechnung tragen.
Rechtlicher Hintergrund: Nach § 108 GewO ist der Arbeitgeber verpflichtet, „bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen“. Das BAG sieht diesen Anspruch des Arbeitnehmers als sogenannte „Holschuld“ an. Daher genügt die Bereitstellung, die Abrechnung muss also nicht zugesandt werden – der Arbeitnehmer muss sie sich „holen“. Weil nach § 108 GewO für die Gehaltsabrechnung die Textform genügt, muss die Abrechnung auch nicht „schriftlich“ erfolgen, vielmehr ist eine elektronische Gehaltsabrechnung ausreichend. Deshalb genügt es nach BAG dann auch, wenn diese Gehaltsabrechnung in einem elektronischen Postfach „zum Abholen“ bereitgestellt wird. Sichergestellt werden muss lediglich, dass auch solche Arbeitnehmer einen Zugang zu dem elektronischen Postfach haben, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen (was in der heutigen Zeit eine verschwindende Minderheit sein dürfte).
Am Rande sei angemerkt, dass das BAG sich im konkreten Fall an einer endgültigen Entscheidung gehindert sah. Das betreffende elektronische Mitarbeiterpostfach war auf Basis einer Konzernbetriebsvereinbarung eingeführt worden. Die Frage, ob diese Konzernbetriebsvereinbarung wirksam ist, war offen, weil die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats zweifelhaft war. Das BAG verwies die Sache daher zurück an das LAG Niedersachsen.
Sind Ihre Mitarbeiterpostfächer richtig eingerichtet?
Die Bereitstellung einer Datei in einem digitalen Mitarbeiterpostfach ist nach der Rechtsprechung zulässig. Bei Einrichtung eines solchen elektronischen Mitarbeiterpostfachs für die Gehaltsabrechnungen sollten unter anderem folgende Aspekte beachtet werden:
- Zunächst muss die digitalisierte Abrechnung die Textform des § 126b BGB einhalten. Das bedeutet:
-
- lesbare Abrechnung,
- Person des Erklärenden (Arbeitgeber als Absender) genannt,
- Eignung der Datei, vom Empfänger gespeichert, aufbewahrt und unverändert weitergegeben zu werden.
- Ferner ist zu empfehlen, dass der Arbeitgeber den Inhalt der Datei, die er zur Verfügung gestellt hat, später beweisen kann, um etwaige Manipulationen zu erkennen.
- Auch sind die Vorgaben des Datenschutzes zu beachten. Insbesondere muss der Zugang zum Mitarbeiterpostfach hinreichend nach dem Stand der Technik gesichert/geschützt sein, um unberechtigte Zugriffe zu verhindern.
- Darüber hinaus muss für den Fall, dass der Mitarbeiter keine private Zugriffsmöglichkeit hat, im Betrieb eine Möglichkeit zur Verfügung gestellt werden, die Gehaltsabrechnung anzusehen, eventuell sogar auszudrucken.
- Zudem sind gegebenenfalls Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten.