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Erschütterung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

von Katharina Kanne

Sachverhalt: Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die seit Ende August 2018 bei der Beklagten beschäftigte Klägerin kündigte ihr Arbeitsverhältnis am 08.02.2019 zum 22.02.2019 und legte der Beklagten eine auf den 08.02.2019 datierte, als Erstbescheinigung gekennzeichnete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Die Beklagte verweigerte die Entgeltfortzahlung und verwies darauf, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert sei, weil diese genau die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses nach der Eigenkündigung der Klägerin abdecke. Die Klägerin vertrat die Auffassung, sie sei ordnungsgemäß krankgeschrieben gewesen und habe vor einem Burn-Out gestanden.

Entscheidung: Nachdem die Vorinstanzen der Zahlungsklage der Klägerin für den Zeitraum vom 08.02. – 22.02.2019 stattgegeben hatten, war die Beklagte in der Revisionsinstanz vor dem BAG erfolgreich. Nach Ansicht des BAG (Urteil vom 08.09.2021 – 5 AZR 149/21) hat die Klägerin keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den streitgegenständlichen Zeitraum, da sie ihrer Darlegungslast zum Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit nicht hinreichend konkret nachgekommen sei. Zur Begründung verwies das BAG darauf, dass die Klägerin die von ihr behauptete Arbeitsunfähigkeit zwar zunächst mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen habe, die Beklagte habe den Beweiswert dieser Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung jedoch erschüttert. Insofern habe die Beklagte mit der Koinzidenz zwischen der Kündigung vom 08.02. zum 22.02.2019 und der am 08.02. bis zum 22.02.2019 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit tatsächliche Umstände dargelegt, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Insofern hätte die Klägerin substantiiert darlegen und beweisen müssen, dass sie tatsächlich arbeitsunfähig war und dies insbesondere durch Vernehmung des behandelten Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht bewerkstelligen können. Dies ist ihr nach den knappen Ausführungen des BAG in der bisher allein vorliegenden Pressemitteilung nicht gelungen.

Hinweis: Grundsätzlich steht einem Arbeitnehmer gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft. Die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ist das gesetzlich vorgesehene Beweismittel. Insofern kommt einer ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein hoher Beweiswert zu. Der Arbeitgeber kann diesen Beweiswert jedoch erschüttern, wenn er Tatsachen darlegt, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Vielfach wird es sich dabei nur um Vermutungen oder einen Widerspruch zur allgemeinen Lebenserfahrung handeln; hier reichte dem BAG jedoch die zeitliche Koinzidenz zwischen Arbeitsunfähigkeitszeitraum und Kündigungsfrist für die Annahme ernsthafter Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit und die Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus. Sodann liegt es am Arbeitnehmer, mit Hilfe der Entbindung seines Arztes von der Schweigepflicht darzulegen und zu beweisen, dass er tatsächlich arbeitsunfähig war. Unterbleibt dies, hat eine Zahlungsklage keine Aussicht auf Erfolg.

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