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von Cora Kosch
Teilzeitbeschäftigten in Krankenhäusern steht ein Überstundenzuschlag erst ab Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten zu. Eine Diskriminierung gegenüber Vollzeitbeschäftigten durch die entsprechenden Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD-K) liegt nicht vor. Das hat der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden und damit seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben.
Sachverhalt: Die Parteien stritten über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Überstundenzuschlägen. Die Klägerin ist seit 1999 bei der beklagten Klinikbetreiberin als Pflegekraft auf der Intensivstation mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden beschäftigt. Sie ist in Schicht- und Wechselschichtarbeit nach einem für den jeweiligen Monat geltenden Dienstplan tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Regelungen des TVöD-K Anwendung.
Die Klägerin hatte zum einen über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus im Dienstplan vorgesehene (geplante) Arbeitsstunden als auch im Dienstplan nicht vorgesehene (ungeplante) Arbeitsstunden geleistet. Dabei hatte sie jedoch nicht die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollzeitkräften überschritten. Die Beklagte hatte diese Arbeitszeiten mit dem anteiligen tariflichen Tabellenentgelt vergütet – ohne Überstundenzuschläge.
Die Klägerin war der Auffassung, ihr stünden Überstundenzuschläge sowohl hinsichtlich der geplanten als auch der ungeplanten Überstunden nach den Regelungen der §§ 7 Abs. 8 lit. c, 8 Abs. 1 Sätze 1, 2 lit. a TVöD-K zu. Dabei berief sie sich auf eine Diskriminierung wegen ihrer Teilzeittätigkeit gegenüber Vollzeitbeschäftigten nach nationalem Recht sowie nach Unionsrecht.
Der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts beschäftigte sich in der Revision sodann maßgeblich mit folgender Frage: Ist es zulässig, Teilzeitbeschäftigten Überstundenzuschläge erst ab dem Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten zu zahlen?
Für die ungeplanten Überstunden hatte der 6. Senat dies bisher verneint (vgl. Urt. v. 23.03.2017, Az. 6 AZR 161/16): Teilzeitbeschäftigte würden ohne sachlichen Grund gegenüber Vollzeitbeschäftigten diskriminiert, wenn sie nicht bereits bei Überschreiten ihrer individuellen Arbeitszeit Überstundenzuschläge für ungeplante Überstunden erhielten. Eine unterschiedliche Behandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten könne zwar gerechtfertigt sein, wenn tarifliche Überstundenzuschläge dem Ausgleich besonderer Belastungen dienten, die entstünden, wenn Beschäftigte über die von den Tarifvertragsparteien vorgegebene tarifliche Arbeitszeit hinaus tätig würden. Eine solche Intention sah der Senat hinter den Regelungen des TVöD jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht.
Entscheidung: Mit der vorliegenden Entscheidung des BAG (Urteil vom 15.10.2021 – 6 AZR 253/19) hat der 6. Senat seine bisherige Rechtsprechung zu § 7 Abs. 8 lit. c TVöD-K nun ausdrücklich aufgegeben. Die darin enthaltene Sonderregelung zur Entstehung von Überstunden im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit sei wegen Verstoßes gegen das Gebot der Normklarheit unwirksam. Eine Differenzierung nach geplanten und ungeplanten Überstunden lasse sich der Regelung nicht entnehmen.
Insofern richte sich auch für Beschäftigte in Schicht- und Wechselschichtarbeit das Entstehen von Überstunden ausschließlich nach der Grundregel des § 7 Abs. 7 TVöD-K, welche ausdrücklich an das (ungeplante) Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten anknüpft. Ist diese Regelung nicht einschlägig, so liege – wie etwa im Fall der Klägerin – Mehrarbeit im Sinne von § 7 Abs. 6 TVöD-K vor, die nicht zuschlagspflichtig ist.
Diese Differenzierung zwischen den Gruppen der Voll- und der Teilzeitbeschäftigten hält der 6. Senat für wirksam. Der TVöD-K enthalte für den Freizeitausgleich und die Vergütung von Stunden, die Teilzeitbeschäftigte ungeplant über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus erbringen, eigenständige Regelungen, die sich so sehr von den Regelungen zum Entstehen, dem Ausgleich und der Vergütung von Überstunden bei Vollbeschäftigten unterschieden, dass keine Vergleichbarkeit mehr gegeben sei. Mit dieser Differenzierung hätten die Tarifvertragsparteien ihren durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Deshalb diskriminierten die für Teilzeitbeschäftigte geltenden Regelungen diese nicht und seien wirksam, so die knappe Begründung in der bisher allein vorliegenden Pressemitteilung.
Hinweis: Sowohl der 10. Senat als auch der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts beschäftigten sich ebenfalls kürzlich mit der Frage der Diskriminierung von Teilzeitkräften, die erst ab Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten entsprechende Zuschläge erhielten.
Der vom 8. Senat zu beurteilende Fall betrifft eine bei einem ambulanten Dialyseanbieter in Teilzeit tätige Pflegekraft (Beschl. v. 28.10.2021, Az. 8 AZR 370/20 (A)). In dem beim 10. Senat anhängigen Rechtsstreit geht es um Mehrflugdienststundenvergütung für das Cockpitpersonal der Lufthansa (Beschl. v. 11.11.2020, Az. 10 AZR 185/20 (A)).
Während der 6. Senat hierzu offenbar keinen Anlass sah, legten die anderen beiden Senate die Frage der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten dem Europäischen Gerichtshof in noch anhängigen Vorabentscheidungsersuchen vor. Sie baten um Klärung, ob eine solche Differenzierung mit der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der RL 97/81/EG in Einklang gebracht werden kann.
Wie der Europäische Gerichtshof diese Frage beurteilen wird, bleibt abzuwarten. Unabhängig davon trägt der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts mit seiner Entscheidung dem Grundsatz der Tarifautonomie Rechnung und hält die Tarifvertragsparteien zu klaren und verständlichen Regelungen an.