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Erweiterte Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung durch tarifliche Voraussetzungen

von Bernd Kinzinger

Sachverhalt: Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer Befristung. Der Kläger war als Leiharbeitnehmer beschäftigt, dessen – ohne Sachgrund – befristetes Arbeitsverhältnis wurde insgesamt viermal verlängert und überschritt mit einer Dauer von über 2 Jahren die Höchstbefristung des § 14 II 1 TzBfG. Auf das Arbeitsverhältnis fand allerdings ein mit der IG Metall geschlossener Dienstleistungstarifvertrag Mantel- und Entgeltrahmentarifvertrag für Zeitarbeit (MERZ TV) Anwendung. § 3.1 MERZ TV normiert, dass ein befristetes Arbeitsverhältnis mit konkreten Unternehmen bis zu einer Gesamtdauer von 3 Jahren vereinbart und innerhalb dieser Zeitspanne bis zu fünfmal verlängert werden kann, sofern eine Entgeltaufstockungsvereinbarung zwischen Ent- und Verleiher besteht. Der Kläger wurde während seiner Beschäftigung nur zum Teil bei einem im MERZ TV konkret bezeichneten Unternehmen eingesetzt. Mit seiner Klage machte der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung geltend. Insbesondere lägen die Voraussetzungen der tarifvertraglich vorgesehenen erweiterten sachgrundlosen Befristungsmöglichkeit nicht vor, da § 3.1 MERZ TV voraussetze, dass der befristet beschäftigte Arbeitnehmer während der gesamten Zeit eine Entgeltaufstockung aufgrund seines Einsatzes in einem der in § 3.1 MERZ TV konkret genannten Unternehmen erhält. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Entscheidung: Das BAG (Urteil vom 20.07.2022 – 7 AZR 247/21) hält die zulässige Revision des Klägers für begründet und stellt zunächst klar, dass sich die Regelung des § 3.1 MERZ TV im Einklang mit dem TzBfG befindet. So eröffnet § 14 II 3 TzBfG den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit, die Höchstdauer der sachgrundlosen Befristung und die Anzahl der Vertragsverlängerungen abweichend von § 14 II 1 TzBfG festzulegen. Zudem können die Tarifvertragsparteien im Rahmen des § 14 II 3 TzBfG die erweiterte Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung zugunsten des Arbeitnehmers (§ 22 TzBfG) von zusätzlichen vergangenheits- und/oder zukunftsbezogenen Voraussetzungen abhängig machen und damit einschränken. Jedoch war die Befristung des Klägers nicht gerechtfertigt. So kamen die Erfurter Richter nach einer Auslegung des § 3.1 MERZ TV zum Ergebnis, dass der Kläger während der gesamten Zeit seiner befristeten Arbeitsverträge bei einem der in § 3.1 MERZ TV genannten Unternehmen eingesetzt hätte werden müssen. Hierfür spricht der Wortlaut der Tarifnorm sowie tarifsystematische und teleologische Gesichtspunkte. Die Tarifvertragsparteien haben in Übereinstimmung mit der dem TzBfG zugrundeliegenden Wertung den unbefristeten Arbeitsvertrag als Normalfall und den befristeten Vertrag als Ausnahme angesehen. Zudem ist die erweiterte Befristungsmöglichkeit nicht lediglich an das Bestehen einer Entgeltaufstockungsvereinbarung zwischen Ent- und Verleiher „an sich“ gebunden, sondern zusätzlich nur für die in § 3.1 MERZ TV genannten, bei bestimmten Unternehmen eingesetzten Beschäftigten vorgesehen. Abschließend wies der 7. Senat darauf hin, dass der maßgebliche Prüfungszeitpunkt für die Rechtswirksamkeit einer Befristung (Zeitpunkt der Befristungsabrede) nichts darüber aussagt, welche Wirksamkeitsvoraussetzungen vorzuliegen haben. Insoweit bleibt es den Tarifvertragsparteien unbenommen, bei den Tatbestandsmerkmalen für eine zulässige Befristung an vergangenheits- und/oder zukunftsbezogene Sachverhalte (Einsatz des befristet beschäftigten Arbeitnehmers ausschließlich bei einem der im MERZ TV genannten Unternehmen) anzuknüpfen.

Hinweis: Der 7. Senat des BAG entwickelt seine Rechtsprechung zu tarifvertraglichen Regelungen über sachgrundlose Befristungen weiter. Bestätigt wurde einmal mehr die Möglichkeit der Tarifvertragsparteien (§ 14 II 3 TzBfG), sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse auf maximal sechs Jahre zu befristen und bis zu dieser Gesamtdauer neunmalig zu verlängern. Daneben spielt einmal mehr die Auslegung von (offen formulierten) Tarifvertragsklauseln eine übergeordnete Rolle. Da diese oftmals „arbeitnehmerfreundlich“ ausgelegt werden, ist Arbeitgebern zu raten, die in Bezug genommenen Tarifverträge sorgfältig im Hinblick auf Befristungsmöglichkeiten zu prüfen. Ist eine Befristung unwirksam, gilt der befristete Arbeitsvertrag von Gesetzes wegen (§ 16 TzBfG) als auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann vom Arbeitgeber frühestens zum vereinbarten Ende ordentlich gekündigt werden.

 

 

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