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Keine Dienstplanänderungen per SMS oder WhatsApp in der Freizeit

von Dr. Josefine Müh

Sachverhalt: In dem zu entscheidenden Fall konnten die Mitarbeiter über das Internet den aktuellen Ist-Dienstplan abrufen und einsehen. Die Arbeitgeberin änderte den zuletzt bei Dienstschluss eines Arbeitnehmers feststehenden Dienstplan und trug den Mitarbeiter zu einem anderen als dem zuvor eingetragenen Dienst im Dienstplan ein. Die Arbeitgeberin versuchte anschließend, den Mitarbeiter auf seinem privaten Handy zu erreichen, um ihn von der geänderten Diensteinteilung in Kenntnis zu setzen, und sendete ihm hierzu u.a. eine SMS, die der Mitarbeiter aber nicht las. Mangels Kenntnis von der Dienstplanänderung trat der Arbeitnehmer seinen Dienst zu spät an.

Entscheidung: Das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 27.9.2022, Az.: 1 Sa 39 öD/22) entschied, dass die konkrete Dienstplanänderung dem Arbeitnehmer nicht wirksam mitgeteilt wurde und für ihn daher nicht verbindlich war. Bei der Mitteilung der Dienstplanänderung handle es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die dem Arbeitnehmer zugehen müsse. Nach Ansicht des LAG sind Arbeitnehmer jedoch an arbeitsfreien Tagen nicht verpflichtet, sich im Internet den Dienstplan anzusehen. Bei einer SMS außerhalb der Arbeitszeit des Mitarbeiters dürften Arbeitgeber ebenfalls nicht mit einer Kenntnisnahme rechnen. In ihrer Freizeit stehe den Arbeitnehmern das „Recht auf Unerreichbarkeit“ zu. Die Entscheidung hatte im konkreten Fall zur Folge, dass die Arbeitgeberin die auf den verspäteten Dienstantritt gestützte Abmahnung aus der Personalakte entfernen und das Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers entsprechend dem ursprünglich eingetragenen Dienst anpassen musste.

Hinweis: Die Entscheidung des LAG ist noch nicht rechtskräftig. Bis sich das Bundesarbeitsgericht zu der Frage äußert, ist es jedoch empfehlenswert, sich an den vom LAG aufgestellten Grundsätzen zu orientieren. Um sicherzustellen, dass ein Dienstplan für Mitarbeiter verbindlich wird, ist zu empfehlen, Änderungen eines zunächst veröffentlichten Dienstplans so rechtzeitig einzutragen und mitzuteilen, dass die hiervon betroffenen Mitarbeiter davon noch während ihrer Arbeitszeit Kenntnis erlangen können. Andernfalls wird der Dienstplan ggf. nicht für alle Mitarbeiter verbindlich geändert. Erscheint ein Mitarbeiter dann nicht oder verspätet zum Dienst, weil er mangels Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit keine Kenntnis von der geänderten Diensteinteilung hat, liegt seinerseits keine Pflichtverletzung vor. Zugleich besteht dann auf Arbeitgeberseite das Risiko, in Annahmeverzug zu geraten, wenn der Mitarbeiter aus dem ursprünglichen Dienstplan herausgenommen wurde, mangels Kenntnis trotzdem zum Dienst erscheint, aber wegen der Dienstplanänderung nicht eingesetzt wird.

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