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von André Schiepel
Sachverhalt: Die Beklagte, eine gesetzliche Krankenkasse, hatte einen schwerbehinderten Bewerber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und damit gegen die Vorgaben des § 82 Satz 2 SGB IX a. F. (§ 165 SGB IX n. F.) verstoßen.
Der abgelehnte Bewerber verklagte die Krankenkasse auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Die Vorinstanzen hatten festgestellt, dass die Beklagte als öffentlicher Arbeitgeber verpflichtet gewesen wäre, den Kläger zu dem Bewerbungsgespräch einzuladen und stellten weiter fest, dass dadurch ein Diskriminierungsindiz gegeben gewesen sei, dass die Beklagte nicht widerlegen konnte. Das LAG hatte daher zuletzt eine Entschädigung in Höhe von 1000,00 EUR festgelegt. Für die ausgeschriebene Stelle war eine Grundvergütung 3.400,00 EUR vorgesehen.
Vor dem BAG war nur noch die Höhe der Entschädigung streitig.
Entscheidung: Das BAG (Urteil vom 28.05.2020 – 8 AZR 170/19) hob die Entscheidung des LAG, mit der 1.000,00 EUR an Entschädigung festgesetzt wurden, auf und verpflichtete die Beklagte zur Bezahlung einer Entschädigungssumme von 5.100,00 EUR, was 1,5 Bruttomonatsgehältern entsprach.
Die Entscheidung beruhte im Wesentlichen auf den folgenden Erwägungen:
Das BAG verwarf unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sämtliche Argumente, mit der das LAG die geringe Entschädigung begründet hatte. Es stellte insofern klar, dass bei der Bemessung der Entschädigung solche Umstände nicht berücksichtigt werden können, die die Motivation oder das sonstige Verhalten in Bezug auf Schwerbehinderte der Beklagten betrafen.
Das freundliche Verhalten der Beklagten in dem Bewerbungsverfahren wie auch der Umstand, dass die Beklagte die Beschäftigungsquoten für Schwerbehinderte erfüllte, waren damit nicht berücksichtigungsfähig.
Dies galt auch für ein im Lauf des Verfahrens gemachte Angebot der Beklagten an den Kläger, sich auf einer anderen Stelle zu bewerben, da dies die nicht den Nachteil des Klägers ausgleiche, vom Bewerbungsverfahren auf diese streitige Stelle ausgeschlossen worden zu sein. Mit solch einem Angebot könne nur der Nachteil der Nichtteilnahme an einem Bewerbungsgespräch ausgeschlossen werden. Allerdings merkt das BAG an, dass derartige Wiedergutmachungshandlungen durchaus schadensmindernd zu berücksichtigen sein können.
Auch der Umstand, dass die Beklagte die Entschädigung aus den Geldern der Versicherten aufzubringen hat, war nach dem BAG nicht zu berücksichtigen, da dies nichts mit dem Kläger und der erlittenen Diskriminierung zu tun hatte.
Dass die streitige Stelle befristete war, führte nach dem BAG auch nicht zu einer Reduktion des Anspruchs. Durch die Entschädigung solle der immaterielle Schaden einer Diskriminierung ausgeglichen werden. Es käme daher nicht auf die Befristung an.
Letztendlich legte das BAG dann auf Basis des richterlichen Ermessens die Entschädigungshöhe bei 1,5 Bruttomonatsgehältern fest. Dies sei insoweit die Untergrenze. Kämen noch sonstige belastende Aspekte hinzu, die insbesondere darin liegen könnten, dass dem Bewerber nicht nur die Möglichkeit entgeht, am Bewerbungsverfahren teilzunehmen, so könnte diese Entschädigung auch höher sein.
Hinweis: Das BAG legt hier eine Regelgröße der Entschädigungssumme bei Verstößen gegen das AGG fest. Es dürfte Gerichten nur in besonderen Ausnahmefällen möglich sein, zukünftig unter dieser Höhe zu bleiben.
Wichtig ist, dass das BAG de facto keine Argumente aus der Sphäre der Arbeitgeberin als Gründe für eine Reduktion der Entschädigung anerkennt. Will man sich daher gegen solche Ansprüche auf der Ebene der Entschädi-gungshöhe verteidigen, wird man auf Aspekte, die aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammen, berufen müssen. Dies könnte eine nicht hinreichende Kennzeichnung der Schwerbehinderung in der Bewerbung oder vergleichbares sein.
Auch die Frage der Wiedergutmachung kann nach dem BAG eine Rolle spielen. Es wäre daher denkbar, dass die nachträgliche Berücksichtigung des schwerbehinderten Bewerbers noch im laufenden Bewerbungsverfahren ein Argument für eine Reduktion der Entschädigung ist.
Zu beachten bleibt jedoch, dass ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers durchaus zu seinen Lasten zu berücksichtigen ist.