Betriebsratsvergütung – Keine Benachteiligung eines Betriebsratsmitglieds durch unterlassene Umsetzung einer angekündigten Höhergruppierung
18.12.2024

Mindestehedauerklauseln – Ein Lichtblick

BAG v. 22.10.2024 – 3 AZR 23/24

 

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Die Hinterbliebenenversorgung ist ein Wesensmerkmal der betrieblichen Altersversorgung. Allerdings wollen viele Versorgungsschuldner (Arbeitgeber / Versorgungseinrichtungen) diese Versorgung nur unter bestimmten Voraussetzungen zusagen und vor allem sog. „Versorgungsehen“ von der Versorgung ausschließen. Insoweit war die Rechtsprechung früher bei Schaffung auch heute noch gebräuchlicher Versorgungsordnungen verhältnismäßig großzügig und erachtete z.B. Mindestehedauerklauseln von 24 Monaten ohne weitere Voraussetzungen für zulässig (BAG v. 11.08.1987 – 3 AZR 6/86).

 

Verschärfte Anforderungen an Ausschlusstatbestände – allenfalls einjährige Mindestehedauer rechtskonform

 

Nachdem die Rechtsprechung zunächst bzgl. sog. Späteheklauseln die Anforderungen verschärfte (z.B. BAG v. 19.02.2019 – 3 AZR 198/18) ist dies seit einigen Jahren auch hinsichtlich sog. Mindestehedauerklauseln zu beobachten. Durch derartige Regelungen macht der Versorgungsschuldner die Zahlung von Hinterbliebenenleistungen davon abhängig, dass die Ehe eine gewisse Mindestzeit dauerte, bevor der Versorgungsfall der Hinterbliebenenversorgung eintritt.

Beginnend mit einer Entscheidung vom 19.02.2019 (3 AZR 150/18) postulierte das BAG, dass allenfalls eine einjährige Mindestehedauerklausel rechtskonform sei. Längere Mindestehedauern seien nicht angemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und daher unwirksam.

Wie das BAG bereits 2019 ausführte, unterliegen Abweichungen von der sich aus rechtlichen Vorgaben ergebenden Vertragstypik einer uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach den AGB-Regeln. Kennzeichnend für eine Hinterbliebenenversorgung i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG sei die Absicherung eines für den Todesfall bestehenden typisierenden Versorgungsinteresses des Arbeitnehmers. Maßgebend für dieses Versorgungsinteresse sei wiederum, in welchem Näheverhältnis der Arbeitnehmer zu den abzusichernden Personen stehe. Es entspreche der im BetrAVG angelegten Vertragstypik, dass diejenigen Personen von der Absicherung erfasst würden, die in einem der Kategorie entsprechenden Näheverhältnis zum Arbeitnehmer stünden. Schränke der Arbeitgeber den danach betroffenen Personenkreis zulasten des Arbeitnehmers in einer Versorgungszusage ein, unterliege diese Einschränkung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Das BAG geht also inzident davon aus, dass das BetrAVG grundsätzlich eine unbeschränkte Hinterbliebenenversorgung vorsieht. Bereits diese These darf durchaus in Frage gestellt werden. Dem BetrAVG sind keinerlei Vorgaben hinsichtlich der ohnehin freiwilligen Hinterbliebenenversorgung zu entnehmen – weder hinsichtlich einer Beschränkung noch umgekehrt.

 

BAG erkennt das Interesse an, Versorgungsehen auszuschließen und finanzielle Risiken zu begrenzen

 

Wenn man gleichwohl der Sichtweise des BAG folgt, dann sind Einschränkungen des begünstigten Personenkreises konsequenterweise einer Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zu unterziehen. Das BAG erkennt insoweit ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an, sein mit der Zusage auf Hinterbliebenenversorgung einhergehendes finanzielles Risiko zu begrenzen. Ebenso als berechtigt anerkannt wird damit das Interesse, sog. Versorgungsehen zu verhindern.

Außerdem hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, das übernommene Todesfallrisiko nur so lange abzusichern, wie es sich nicht bereits konkretisiert hat. Hierdurch würden „objektive Versorgungsehen“ ausgeschlossen. Es geht also nicht darum, im Einzelfall festzustellen, ob die konkrete Ehe zu Versorgungszwecken geschlossen wurde und damit nicht um ein individuelles „Unwerturteil“, sondern um die möglichst objektive Prüfung, ob eine vom Arbeitgeber gesetzte Mindestehedauerfrist angemessen ist, einerseits der Risikoabgrenzung Rechnung zu tragen und andererseits eine unangemessene Rechtsunsicherheit der Versorgungsberechtigten zu verhindern. Wie das BAG erstmalig in seiner Entscheidung vom 02.12.2021 (3 AZR 254/21) ausführte, müsse der Arbeitgeber dafür zusätzlich die Möglichkeit für den Hinterbliebenen vorsehen nachzuweisen, dass sich trotz des Todes innerhalb der so festgelegten Frist das Risiko zu dem Zeitpunkt, als der Schutz der Versorgungsordnung eintrat, noch nicht konkretisiert hatte.

Welche Widerlegungsmöglichkeiten erforderlich sind, ist noch in der Entwicklung. In der vorgenannten Entscheidung aus dem Jahr 2021 erachtete das BAG eine Mindestehedauer von einem Jahr als „noch angemessen“ und die Widerlegungsmöglichkeiten „nach der Eheschließung erlittener Unfall oder danach eingetretene Erkrankung“ als ausreichend.

In einer späteren Entscheidung vom 21.11.2023 (3 AZR 44/23) hat das BAG folgerichtig einerseits entschieden, dass eine Mindestehedauer von einem Jahr rechtlich zulässig ist, eine vom Todeszeitpunkt abhängige Frist von im kürzesten Fall einem Jahr und einem Tag bis zu einem Jahr und 364 Tagen hingegen nicht.

 

Mindestehedauer von 3 Monaten – eine Widerlegungsmöglichkeit ist ausreichend

 

Andererseits führte das BAG zudem aus, dass eine rechtlich zulässige Mindestehedauer von einem Jahr ohne die Möglichkeit, das Vorliegen des Todesfallrisikos im Zeitpunkt der Eheschließung zu widerlegen, unangemessen sei.

Nachdem bereits das LAG Düsseldorf am 08.11.2023 (12 Sa 348/23) bezüglich einer Mindestehedauerklausel in der Satzung einer Pensionskasse entschied, dass diese, welche eine Mindestehedauer von lediglich drei Monaten, aber auch „nur“ eine Widerlegungsmöglichkeit für einen Unfalltod vorsah, rechtskonform ist, hatte das BAG am 22.10.2024 (3 AZR 23/24) hierüber zu entscheiden.

Das BAG bestätigte die Auffassung des LAG Düsseldorf und führte in der mündlichen Verhandlung sinngemäß aus, dass durch die verhältnismäßig kurze Mindestehedauerfrist typische Fälle von Krankheiten ohnehin bereits erfasst seien. Es stelle eine Privilegierung der Hinterbliebenen dar, wenn sie keinen Nachweis hinsichtlich der Entstehung der Krankheit erbringen müssten. Mithin erachtete das BAG die Klausel, welche eine Frist von drei Monaten und eine Widerlegungsmöglichkeit für den Fall vorsah, dass der Tod nicht durch Unfall eingetreten ist, als wirksam.

Die jüngste Entscheidung belegt, dass eine verhältnismäßig strenge Rechtsprechungslage doch immer wieder Spielräume für rechtskonforme Gestaltungen lässt. Dennoch ist der Trend, höhere Anforderungen an Ausschlusstatbestände zu stellen, nicht von der Hand zu weisen. Arbeitgeber und Versorgungseinrichtungen der betrieblichen Altersversorgung sind daher gut beraten, ihre Ausschlusstatbestände spätestens jetzt einer Prüfung und ggf. Anpassung an die veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen zu unterziehen, da andernfalls höhere Versorgungsverpflichtungen bestehen könnten als bislang angenommen.

Auf eine ergänzende Vertragsauslegung sollten sich Arbeitgeber bzw. Versorgungsschuldner nicht verlassen, da das BAG auch strenge Anforderungen an die Schließung einer Regelungslücke stellt. Insoweit gilt es nämlich darzulegen, wie die Lücke geschlossen worden wäre, wenn sie denn erkannt worden wäre. Da hierfür – wie aufgezeigt – theoretisch mehrere rechtskonforme Gestaltungen in Betracht kommen, müssen also weitere Anhaltspunkte hinzutreten, um sicher feststellen zu können, wie gehandelt worden wäre. Letzteres ist in aller Regel auch aufgrund zum Teil Jahrzehnte zurückliegender Sachverhalte nur selten möglich.

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Dr. Nils Börner

Fachanwalt für Arbeitsrecht

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