Interessenausgleich – lohnt sich der Versuch?
09.10.2024
Umkleidezeiten als Arbeitszeit
09.10.2024

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung bei Organmitgliedern?

BGH v. 23.04.2024 – II ZR 99/22

 

Die für Arbeitnehmer geltenden Regelungen über nachvertragliche Wettbewerbsverbote in §§ 74 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB) finden auf Organmitglieder keine Anwendung. Deshalb sind im Hinblick auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Vorstandsmitgliedern oder Geschäftsführern zahlreiche Fragen umstritten – angefangen damit, ob solche Vereinbarungen die Zahlung einer Karenzentschädigung vorsehen müssen, d. h. eine finanzielle Kompensation für den Verzicht auf die Aufnahme einer Wettbewerbstätigkeit nach Vertragsende und, wenn ja, in welcher Höhe. Mit diesem Fragenkreis hat sich in der vorliegenden Entscheidung der Bundesgerichtshof (BGH) befasst.

 

Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung?

 

Bei Arbeitnehmern muss ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 Abs. 2 HGB für die Dauer des Verbots eine Karenzentschädigung in Höhe von mindestens der Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen – dazu zählen neben der festen Vergütung etwa auch variable Gehaltsbestandteile und Sachbezüge – vorsehen; andernfalls ist es unverbindlich oder, wenn gar keine Karenzentschädigung vorgesehen ist, nichtig. Bei Organmitgliedern gelten andere Maßstäbe: Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist hier zulässig, wenn es dem Schutz eines berechtigten Interesses der Gesellschaft dient und nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und die wirtschaftliche Betätigung des Organmitglieds nicht unbillig erschwert; andernfalls ist es nach § 138 BGB nichtig.

Der BGH hatte in der Vergangenheit mehrmals entschieden, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bei Organmitgliedern nicht in jedem Fall die Zusage einer Karenzentschädigung erfordert. In der Literatur wurde allerdings darauf hingewiesen, dass diese Urteile des BGH schon länger zurück liegen und der BGH noch nie über die Wirksamkeit eines umfassenden entschädigungslosen Verbots zu entscheiden hatte; ein umfassendes Wettbewerbsverbot, das jegliche Form der Berufsausübung in einer bestimmten Branche untersagt, stelle eine unbillige Erschwerung der Berufsausbildung dar, wenn keine Entschädigung gezahlt wird.

In der vorliegenden Entscheidung bekräftigt der BGH seine Rechtsprechung, dass ein mit einem Geschäftsführer vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot keine Karenzentschädigung vorsehen muss. Einschränkungen hinsichtlich des Umfangs des Wettbewerbsverbots nimmt der BGH dabei nicht vor. Das Wettbewerbsverbot war, soweit aus den Urteilen des BGH und der Vorinstanzen ersichtlich, auch durchaus ein „vollwertiges“: Es untersagte dem Geschäftsführer für zwei Jahre nach Vertragsende jegliche Tätigkeit für Unternehmen, die räumlich und gegenständlich im Geschäftszweig der Gesellschaft tätig waren oder werden konnten. Es ist daher wohl anzunehmen, dass der BGH die Bedenken der Literatur gegen entschädigungslose umfassende Wettbewerbsverbote nicht teilt.

 

Rückwirkender Wegfall der Karenzentschädigung?

 

Der BGH ging sogar noch einen Schritt weiter: Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im entschiedenen Fall sah vor, dass die Karenzentschädigung im Fall eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot rückwirkend entfällt und vom Geschäftsführer an die Gesellschaft zurückzuzahlen ist. Auch dies hielt der BGH für wirksam, mit dem schlichten Argument, dass das Wettbewerbsverbot auch von vornherein entschädigungslos hätte vereinbart werden können. Allerdings ist nicht sicher, ob diese Regelung auch einer Prüfung nach den Grundsätzen der Allgemeine Geschäftsbedingungen – die im entschiedenen Fall nicht anwendbar waren – standhalten würde.

 

Jedenfalls großzügiger Maßstab für die Karenzentschädigung bei Organmitgliedern

 

Die praktische Relevanz des Urteils ergibt sich weniger daraus, dass es möglich sein könnte, auch umfassende nachvertragliche Wettbewerbsverbote entschädigungslos zu vereinbaren; darauf wird sich kaum ein Organmitglied einlassen. Es dürfte aber feststehen, dass an die Höhe der Karenzentschädigung bei Organmitgliedern keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Dass etwa – wie immer wieder zu hören – eine Karenzentschädigung von 50 % der festen Vergütung aus Rechtsgründen nicht genüge, dürfte damit „vom Tisch“ sein.

Gerne stehen unsere infomaat-Autoren Ihnen bei Fragen zur Verfügung:

Portrait Thomas Bader Final

Thomas Bader

Rechtsanwalt

+49 (0)89 606656-0
E-Mail

© maat Rechtsanwälte