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Steigende Inflation – Betriebsrentenanpassung im Fokus

Was können Arbeitgeber angesichts der hohen Inflation tun?

BAG v. 15.11.2022 – 3 AZR 505/21

 

Gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn eine Anpassung der laufenden Betriebsrenten zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; in gewissen Grenzen ist eine Zusammenfassung der Anpassungsprüfung zu einheitlichen Stichtagen möglich.

Die Pflicht zur Anpassungsprüfung gilt dann als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens. Sowohl die Indexentwicklung als auch die Nettolohnentwicklung ist dabei immer jeweils vom individuellen Beginn der Rentenzahlung bis zum aktuellen Anpassungsprüfungsstichtag zu berücksichtigen und nicht nur für den Zeitraum seit der letzten Anpassungsprüfung. Seit Rentenbeginn erfolgte Anpassungen der Betriebsrente werden allerdings gegengerechnet.

 

Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers

 

Bei der Anpassungsprüfung muss der Arbeitgeber nicht nur die Belange der Versorgungsempfänger (Ausgleich der Inflation) beachten, sondern er kann auch seine eigene wirtschaftliche Lage berücksichtigen. Lässt die wirtschaftliche Lage eine Anpassung der Betriebsrenten nicht zu, ist der Arbeitgeber zur Anpassung nicht verpflichtet.

Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ist eine zukunftsbezogene Größe. Sie umschreibt die künftige Belastbarkeit des Arbeitgebers und setzt eine Prognose voraus. Beurteilungsgrundlage für die Prognose ist die bisherige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens vor dem Anpassungsstichtag. Die Bewertung hat auf Grundlage der HGB-Jahresabschlüsse zu erfolgen. Auf ergänzende Feststellungen im Lagebericht des Unternehmens gem. § 289 HGB kommt es demgegenüber nicht an, dieser ist kein Bestandteil des Jahresabschlusses, sondern rechtlich eigenständig, wie das BAG im jüngsten Urteil vom 15.11.2022 ausdrücklich betont.

Nach der Rechtsprechung des BAG kommt es zum einen auf die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung des Unternehmens an. Zur Bestimmung dieser Eigenkapitalrendite ist das Jahresergebnis der Gesellschaft vor Steuern vom Einkommen und vom Ertrag aber nach sonstigen Steuern ins Verhältnis zum durchschnittlichen bilanziellen Eigenkapital des Unternehmens i. S. v. § 266 Abs. 3 A HGB im jeweiligen Geschäftsjahr zu setzen. Die Eigenkapitalverzinsung ist für einen Zeitraum von zumindest drei Jahren vor dem Anpassungsstichtag zu ermitteln und mit den Umlaufrenditen von Anleihen der öffentlichen Hand im jeweiligen Jahr (zzgl. eines Risikozuschlags von 2 % bei aktiv am Markt tätigen Unternehmen) zu vergleichen. Für die Prognose kommt es dabei nicht auf den Durchschnitt der Eigenkapitalverzinsung an, maßgebend ist vielmehr, ob sich im Referenzzeitraum eine positive Entwicklung abzeichnet, die eine für die Betriebsrentenanpassung ausreichende wirtschaftliche Lage in den drei Jahren nach dem Anpassungsstichtag erwarten lässt. Gegebenenfalls sind bei dem Jahresergebnis betriebswirtschaftlich gebotene Korrekturen außerordentlicher oder außergewöhnlicher Ergebniseinflüsse vorzunehmen, die auf Entwicklungen oder Umständen beruhen, die nicht fortwirken und sich voraussichtlich nicht wiederholen werden. Hier bestehen nicht selten wesentliche Weichenstellungen für die Anpassungsprüfung. Zum anderen ist zu klären, ob das Unternehmen noch über genügend Eigenkapital verfügt. Dem Arbeitgeber ist zuzubilligen, dass er nach Eigenkapitalverlusten oder einer Eigenkapitalauszehrung möglichst rasch für eine ausreichende Kapitalausstattung sorgt und verlorene Vermögenssubstanz wieder aufbaut. Bis dahin besteht keine Verpflichtung zur Anpassung.

 

Berechnungsdurchgriff bei Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag?

 

Die Anpassungsprüfung betrifft grundsätzlich dasjenige Unternehmen, welches als Arbeitgeber die entsprechende Versorgungszusage erteilt oder im Wege der Rechtsnachfolge übernommen hat. Es kommt auf die wirtschaftlichen Verhältnisse im Unternehmen des versorgungspflichtigen Arbeitgebers an. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber in einem Konzern eingebunden ist. Eine Ausnahme gilt im Fall des sogenannten Berechnungsdurchgriffs. Dabei wird dem Versorgungsschuldner die günstige wirtschaftliche Lage eines anderen Konzernunternehmen zugerechnet. Der Berechnungsdurchgriff führt dazu, dass ein Unternehmen, das selbst wirtschaftlich nicht zur Anpassung der Betriebsrenten in der Lage wäre, gleichwohl eine Anpassung vornehmen muss, wenn die wirtschaftliche Lage des anderen Konzernunternehmens dies zulässt. Schuldner der Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 BetrAVG bleibt aber auch beim Berechnungsdurchgriff der unmittelbare Versorgungsschuldner. Das Bestehen eines Beherrschungsvertrages wird vom BAG dabei in ständiger Rechtsprechung als wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Annahme eines Berechnungsdurchgriffs auf die herrschende Gesellschaft herangezogen. Demgegenüber hat das BAG nunmehr im Urteil vom 15.11.2022 erstmals eindeutig festgestellt, dass das Bestehen eines isolierten Gewinnabführungsvertrags keinen Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage der herrschenden Gesellschaft rechtfertigt.

Und wenn die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ausreichend positiv ist, um zur Anpassung der Betriebsrenten verpflichtet zu sein? Dann bleibt ein weiterer Prüfungspunkt, die sog. reallohnbezogene Obergrenze. Denn gem. § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG gilt die Pflicht zur Anpassungsprüfung auch dann als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens. Auch wenn insoweit aufwändige Prüfungen vorzunehmen sind, kann es Sinn machen, sich dieser Frage zu widmen. Gerade in den letzten Jahren blieb die Lohnentwicklung teilweise deutlich unterhalb der Inflation.

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Christian Betz-Rehm

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