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Urlaubsabgeltung und Wirksamkeit einer arbeitsrechtlichen Ausschlussklausel

von Dr. Daniel Holler

Sachverhalt: Die Parteien stritten über die Abgeltung von 24 Urlaubstagen. Die Klägerin war bei der Beklagten ab Januar 2019 angestellt. Als jährlicher Urlaubsanspruch waren 24 Tage arbeitsvertraglich festgelegt. Der Arbeitsvertrag enthielt zudem eine Ausschussklausel. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zum 19.07.2019. Mit einer Klage, die der Beklagten am 23.01.2020 zuging, machte die Klägerin die Abgeltung von 24 Urlaubstagen geltend. Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Entscheidung: Das BAG (Urteil vom 24.05.2022 – 9 AZR 461/21) stellt in seiner Entscheidung noch einmal klar, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch den vertraglichen Ausschlussfristen unterliegt. Dem steht weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs noch das Unionsrecht entgegen.

Zudem erläuterte der Senat in seiner Entscheidung noch einmal die Anforderungen an arbeitsrechtliche Ausschlussklauseln. So ist es unschädlich, wenn die Ausschlussfristenregelung das Klauselverbot des § 309 Nr. 7a BGB nicht beachtet, nach dem eine Haftung bei Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit nicht ausgeschlossen sein darf, denn in Bezug auf § 309 Nr. 7a BGB sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (§ 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 1 BGB) zu beachten. Die Bedeutung von § 309 Nr. 7a BGB wird bereits durch das gesetzliche Haftungssystem innerhalb des Arbeitsrechts (§§ 104 ff. SGB VII) stark begrenzt. Der kleine Anwendungsbereich der Ausschlussklausel, der neben dem gesetzlichen Haftungssystem verbleibt und von der Ausschlussklausel nicht berücksichtigt wird, führt zu keiner Unwirksamkeit der gesamten Ausschlussklausel.

Das BAG weist darüber hinaus darauf hin, dass eine Ausschlussklausel auch nicht dadurch intransparent wird, wenn sie Ansprüche, deren Erfüllung die Beklagte zugesagt, anerkannt oder streitlos gestellt hat, nicht ausdrücklich ausgeklammert. Anerkenntnis, Streitlosstellung oder Erfüllungszusage sind keine Tatbestände, die aus Transparenzgründen in einer Ausschlussfristenregelung aufgenommen werden müssen.

Auch ist eine Ausschlussklausel nicht deshalb intransparent, wenn sie keine tariflichen Ansprüche und Ansprüche aus Betriebsvereinbarung erfasst. Arbeitgeber sind nicht gehalten, Ausschlussklauseln im Hinblick auf die unmittelbare und zwingende Wirkung von Kollektivnormen einschränkend zu formulieren, wenn solche Bestimmungen bei Vertragsschluss nicht auf das Arbeitsverhältnis normativ einwirken.

Schlussendlich wird eine Ausschlussklausel auch nicht dadurch intransparent, wenn sie Urlaubsansprüche im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht ausdrücklich ausnimmt. § 7 Abs. 3 BUrlG sieht für den Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs ein spezielles Fristenregime vor, von dem nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden kann, § 13 Abs. 1 Satz 3 BurlG. Für einen aufmerksamen und sorgfältigen Arbeitnehmer ergibt sich ohne Weiteres, dass er seinen Anspruch auf „Jahresurlaub“ nicht in den ersten drei Monaten des jeweiligen Urlaubsjahrs in Textform geltend machen muss, um den Anspruch vor einem Verfall zu bewahren, sondern dass er ihn – mindestens – im gesamten Urlaubsjahr verlangen kann.

Insoweit ist die Klage unbegründet: Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 19.07.2019 fällig geworden. Die am 23.01.2020 der Beklagten zugestellte Klage kam mithin zu spät.

Hinweis: Ausschlussklauseln spielen in der Arbeitsrechtspraxis eine wesentliche Rolle, insbesondere am Ende eines Vertragsverhältnisses. Nicht selten sieht sich der Arbeitgeber nach Beendigung oder im Zusammenhang der Beendigung mit (vermeintlich) offenen Zahlungsforderungen des Arbeitnehmers konfrontiert. Insoweit ist auf eine saubere Formulierung der Ausschlussklauseln nach aktuellem Stand der Rechtsprechung zu achten. Das hier besprochene Urteil des BAG bewegt sich zwar in bekannten Fahrwassern, dennoch bietet die Entscheidung für Arbeitgeber erneute Gelegenheit, ihre Arbeitsvertragsmuster auf Aktualität hin zu überprüfen. Auch wenn das BAG hinsichtlich des § 309 Nr. 7a BGB arbeitgeberfreundlich argumentiert, ist weiterhin zu raten, die Klauselverbote des § 309 Nr. 7a und Nr. 7b BGB im Rahmen der Ausschlussklauseln zu berücksichtigen.

 

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