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Zugang einer Kündigung

von André Schiepel

Sachverhalt: Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer außerordentlich gekündigt. Die Kündigung wurde vom Arbeitgeber durch Boten an den Arbeitnehmer zugestellt. Der Bote warf die Kündigung am 27.01.2017 (Freitag) um 13:25 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers ein. In dem Ort in dem der Kläger wohnt ist die Postzustellung gegen 11:00 Uhr abgeschlossen.

Der Kläger ging gegen die Kündigung gerichtlich vor und legte am 20.02.2017 (Montag) Klage gegen die Kündigung ein. Die Vorinstanzen hatten angenommen, dass die Kündigung wirksam ist, da der Kläger die Kündigungsschutzklage verspätet eingereicht habe.

Entscheidung: Das BAG (Urteil vom 22.08.2019 – 2AZR 111/19) hat die Entscheidung aufgehoben und an das LAG zu-rückverwiesen. Zur Begründung führt es aus, dass die Annahme des LAG, dass die Kündigung außerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht worden sei, nicht zutreffe. Das BAG hält insofern fest, dass eine verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden i. S. v. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugeht, soweit sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt und dieser die Möglichkeit hat, von ihr Kenntnis zu nehmen. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach “gewöhnlichen Verhältnissen” bzw.  “den Gepflogenheiten des Verkehrs” zu beurteilen.
Der Zugang im Hausbriefkasten ist bewirkt, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme aus dem Briefkasten zu rechnen ist. Es ist aber nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit eine generalisierende Betrachtung anzuwenden. In der Person des Empfängers liegende Gründe sind daher von der generalisierenden Betrachtung grundsätzlich ausgeschlossen.

Das LAG war insofern davon ausgegangen, dass man in der heutigen Zeit der sehr späten Zustellzeiten und privaten Zustelldiensten nicht mehr davon ausgehen könne, dass ein Briefkasten immer unmittelbar nach den üblichen Einwurfzeiten der Postzustellung geleert werde. Außerdem trügen auch die unterschiedlichen Arbeitszeiten der Arbeitnehmer dazu bei, dass man von einer Leerung des Hausbriefkasten bis ca. 17:00 Uhr ausgehen könne.

Diese Annahme lehnt das BAG hab. Es hält fest, dass bisher das BAG und auch der BGH davon ausgegangen sind, dass mit der Leerung des Hausbriefkastens im Regelfall unmittelbar nach Abschluss der üblichen Postzustellzeiten zu erwarten sei.

Die von dem LAG angestellten Überlegungen seien nicht geeignet, dieses Verständnis der „Gepflogenheiten des Verkehrs“ aufzuheben. Dies habe zum einen seinen Grund in der tatsächlichen Feststellung des LAG, dass die Postzustellung in dem Ort des Klägers regelmäßig gegen 11:00 Uhr beendet sein und in der Unzulässigkeit der im Übrigen von dem LAG zugrunde gelegten Annahmen.

Das BAG geht weiter davon aus, dass die geänderten Arbeitsgewohnheiten von verschiedenen Bevölkerungs-gruppen noch nicht dazu führen, dass die Verkehrsanschauung über die übliche Entnahme der Post aus dem Hausbriefkasten geändert werden müssten, ebenso wenig sei der Umstand, dass inzwischen private Anbieter auch zu späteren Zeiten die Posten zustellen bereits geeignet die Verkehrsanschauung zu ändern. Zwar könne es in Betracht gekommen, dass sich die Verkehrsanschauung durch die Zustellung der Post und private Anbieter verändert, jedoch sei dies vor dem Hintergrund der sehr geringen Zahl dieser privaten Anbieter wohl aktuell nicht der Fall.

Insgesamt verwies das BAG den Fall zurück an das LAG mit der Auflage, festzustellen, wann üblicherweise die Postzustellung in dem Wohnort des Klägers abgeschlossen sei. Soweit die Beklagte davon ausgehe, dem Kläger sei die Kündigung trotzdem am Freitag zugegangen, so wäre sie insofern beweisbelastet.

Hinweis: Nachdem es im Allgemeinen kaum möglich ist, gerade in Großstädten festzustellen, wann üblicherweise die Zustellung von Hauspost abgeschlossen ist, empfiehlt es sich, um spätere Diskussionen zu vermeiden,  Kündigungen möglichst am Vormittag eines Arbeitstages zuzustellen. Spätere Zustellungen können Beweisprobleme mit sich bringen.

 

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